Donnerstagvormittag im Weinmeisterhaus: die Klasse 7c des John-Lennon-Gymnasiums hat sich in zwei Gruppen aufgeteilt. Im 3. Stock wird an Modellen gebastelt, im Keller werden Flashmobs geprobt. Die Schüler*innen sind überall mit Eifer dabei. Lasse erklärt, was sie machen: „Wir entwickeln eine Art Trojanisches Fahrzeug.“ Noah ergänzt: „Mit dem Fahrzeug wollen wir eine Insel erobern und uns im Kreisverkehr immer näher an sie heranschieben.“ Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten.
Die Aktion mit dem Trojanischen Fahrzeug wird den Abschluss einer Projektphase bilden, in der sich die Schüler*innen mit dem öffentlichen Raum entlang der Karl-Marx-Allee vom Alexanderplatz bis zum Strausberger-Platz beschäftigt haben und der Frage, wer hier wie mobil ist. Beim ersten Besuch haben sie eine Führung zur Geschichte des Ortes und der Architektur bekommen. Noah erzählt: „Hier haben arme Bürger und Arbeiter gelebt und die DDR wollte der westlichen Seite zeigen, dass es den Leuten hier sehr gut geht und dann haben sie so prachtvolle Wohnungen errichtet.“ Im Anschluss ging es darum mit praktischen Übungen den Stadtraum zu erobern und aus den gewöhnlichen Nutzungsweisen herauszutreten. Helene erinnert sich an die erste Aktion vor Ort: „Beim ersten Tag sind wir alle zusammen über eine Straße gegangen als grün war. Wir haben gemacht, was wir wollten, weil das ja die Zone für die Fußgänger ist.“ Als Lasse ergänzt, dass sie verschiedene Sachen ausprobiert haben und z.B. alle hintereinander in einer Schlange die Straße überquert oder Brücken gebildet haben, hört man raus, wie viel Spaß ihnen diese Aktion gemacht hat. Im Anschluss daran haben sie darüber diskutiert was ihnen fehlt, was sie sich wünschen und erhoffen in und von ihrer Stadt. Auf Plakaten haben sie diese Ideen festgehalten und sind mit ihnen an der Karl-Marx-Allee entlang gelaufen.
Der andere Teil der Gruppe hat sich auf den Alexanderplatz konzentriert. Zugleich „cool“ und „komisch“ hat es sich angefühlt, dort für den Flashmob zu proben. Ich frage Paul, was ein Flashmob ist: „Ein Flashmob ist eine geplante Aktion, um zu gucken, wie die anderen reagieren und ob die anderen mitmachen. Das soll so natürlich wie möglich aussehen, also nicht geplant.“ Lucie führt den Gedanken fort: „Auf einer Stelle fängt jemand an und dann kommen immer mehr dazu. Es soll so aussehen, als wenn die, die dazukommen, erstmal nichts wissen. Der Sinn dieser Flashmobs ist auch zu zeigen, dass man etwas anderes machen kann, als rumzurennen wie alle Leute da. Wir wollen die Leute nicht ärgern damit. Es wäre schon cool, wenn ein paar mitmachen würden, aber ich glaube, dass manche es richtig komisch finden werden.“
Wenn man neugierig ist auf die Ergebnisse dieser Aktionen und sich gleichzeitig mit der Stadtgeschichte, dem öffentlichen Raum und der zukünftigen Stadtentwicklung beschäftigen will, dann sollte man bei der Ausstellung Er(be)leben in der Alten Münze vorbeischauen. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines dreimonatigen Prozesses und der Zusammenarbeit unterschiedlicher Protagonisten, die iCollective e.V. und Zuloark zusammengebracht und mit Leben und einer konkreten Idee gefüllt hat. Sie steckt bereits auch im Titel Er(be)leben drin: Lebe dein Erbe – Erlebe dein Erbe, und zwar an vier historischen Orten im Stadtteil Alt-Mitte, im Laufe von vier Projektphasen, mit sechs Workshopleiter*innen und zwei Partnerschulen.
Ungefähr 55 Schüler*innen aus der Grundschule Neues Tor und dem John-Lennon-Gymnasium wurden in Kleingruppen aufgeteilt und widmeten sich dem Alexanderplatz, dem Nikolaiviertel, der Karl-Mark-Allee und der Ruine der Franziskaner Klosterkirche wobei jedem dieser Orte ein Konzept zugeordnet wurde: das Nikolaiviertel mit Austausch; die Klosterkirchenruine mit Innovation; der Alexanderplatz mit Konflikt und die Karl-Marx-Allee mit Mobilität. Im ersten Schritt ging es darum, die Orte zu erkunden, zu erlaufen, wahrzunehmen. Im zweiten Schritt darum, mit den Workshopleiter*innen an diesen Orten etwas zu entwickeln – sei es ein Spiel, Performances oder einen Film. Die dritte Phase besteht aus einer Ausstellung in der Alten Münze. Dort finden parallel Gespräche zwischen Schüler*innen und Expert*innen statt, aus denen heraus ein Manifest entwickelt wird, das die Erwartungen, Wünsche und Bedürfnisse der Jugendlichen im öffentlichen Raum zusammenfasst. Wie soll die Stadt in der Zukunft aussehen? Wie können Jugendliche an der Entwicklung der Stadt aktiv mitwirken? Vom 14. bis 20. Januar 2019 wird dieses Manifest in der Ruine der Franziskaner Klosterkirche auf einem LED-Display zu lesen sein.
AUSTELLUNG:
Die Ausstellung ist vom 30.11. bis zum 9. Dezember 2018 geöffnet.
Ort: Alte Münze
Molkenmarkt 2, 10179 Berlin, 2. OG
Am 30.11 (um 13 Uhr) sowie am 4.12. (um 9:30 und 11:30 Uhr) und am 6.12. finden öffentliche Gespräche zwischen Expert*innen und Schüler*innen statt. Das letzte Gespräch findet im John Lennon Gymnasium, in der Zehdenicker Str. 17, statt. Treffen um 9:50 im Foyer.