„Im Frühjahr 1943 kam ich vom Dienst nach Hause und sah eine große Gruppe von Menschen durch die Lübecker Straße ziehen. Da ich mich wunderte und neugierig wurde, ging ich ihnen nach. Sie bogen in die Havelberger Straße und dann in die Quitzowstraße ein. Ich sah, wie sie in einen kleinen Weg in Richtung Bahngelände abbogen. Soweit ich aus sicherer Entfernung sehen konnte, wurden sie gleich verladen.“1
Der kurze Bericht eines Zeitzeugen ruft eindrücklich die Situation an der Quitzowstraße in Erinnerung und enthüllt die Bedeutung eines heute noch immer vorhandenen historischen Weges, der zu den Gleisen 69, 81 und 82 des damaligen Güterbahnhofs Berlin Moabit führte. Dass von dort zwischen März 1942 und Januar 1944 mehr als 32.000 jüdische Bürgerinnen und Bürger nach Theresienstadt, Riga, Raasiku und Auschwitz in den Tod geschickt wurden, war lange Zeit nicht bekannt. Inzwischen belegen die publizierten Zahlen eindeutig, dass der Güterbahnhof Moabit der „Hauptort“ in der Geschichte der von den Nationalsozialisten angeordneten Verschleppung in die Ghettos und Vernichtungslager war.
Seit 1987 wurde über die Errichtung eines Gedenkorts am ehemaligen Standort des Güterbahnhofs Moabit diskutiert. Der Bahnhof lag auf Reichsbahngelände und konnte somit nicht vom ehemaligen Bezirk Tiergarten gestaltet werden. Als die Mauer fiel wurde das Gebiet nördlich der Quitzowstraße komplett umgestaltet, die Stimmen, die auf die Geschichte des Geländes hinwiesen, wurden übergangen. Seit 2012 wurde erneut die Diskussion über die Gestaltung aufgenommen und noch bestehende Grundstückfragen gelöst. Am 5. Juni 2015 bewilligte der Stiftungsrat der Stiftung Deutsche Klassenlotterie den Antrag des Amtes für Weiterbildung und Kultur des Bezirksamtes Mitte von Berlin über 150.000,00 Euro für die Realisierung eines Gedenk- und Lernorts am historischen Ort der Gleise 69, 81 und 82 des ehemaligen Güterbahnhofs Moabit.
Diese Zusage war die Voraussetzung für die Ausschreibung eines Kunstwettbewerbs zur Gestaltung eines Gedenkorts. Aufgrund der gesamtstädtischen Bedeutung dieses künftigen Gedenkorts erfolgte 2016 die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung eines Kunstwettbewerbes durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten. Im Juni 2016 wird die Stichstraße sowie die Reste der Rampe unter Denkmalschutz gestellt. Das Preisgericht hat unter Vorsitz von Prof. Dr. Stefanie Endlich am 18. August 2016 die Arbeit „Hain“ des Künstlerkollektivs raumlabor berlin mehrheitlich mit dem 1. Preis ausgezeichnet und zur Realisierung empfohlen. Die 20 gepflanzten Waldkiefern werden in den nächsten Jahren einen Teil des historischen Areals zwischen Quitzowstraße und Ellen-Epstein-Straße zusehends hervorheben. 5. September 2021 Der Gedenkort Güterbahnhof Moabit wird ergänzt durch ein künstlerisches Lichtzeichen von raumlabor berlin zur Erinnerung an die Deportationen aus Berlin (1941-1945).
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Mehr Informationen zum Gedenkort Güterbahnhof Berlin Moabit finden Sie hier.
1 Roskamp, H., Verfolgung und Widerstand. Tiergarten – Ein Bezirk im Spannungsfeld der Geschichte 1933 – 1945, S. 80, zit. nach Klaus Dettmer, Alfred Gottwaldt, Diana Schulle, Forschungsgutachten zur Geschichte des Güterbahnhofs Berlin-Moabit unter schwerpunktmäßiger Berücksichtigung der Geschichte der Deportation der Berliner Juden von den Gleisen 69, 81 und 82, Berlin 2006, Auftraggeber: Bezirksamt Mitte von Berlin, Abteilung Bildung und Kultur, Amt für Bibliotheken und Kultur