Die M*straße erlaubt einen Schnellritt durch die deutsche Geschichte: Beginnt man den Gang durch die Straße am Zieten bzw. Wilhelmplatz, springt einen in Form von Feldherren-Denkmälern die preußische Vergangenheit entgegen, ein Stück weiter kündet ein klobiger Bau von der Zeit des Nationalsozialismus, gegenüber befinden sich Plattenbauten, die aus der DDR stammen. Am anderen Ende der Straße erinnert eine Installation an die Pressekonferenz, auf der Günter Schabowski die Reisefreiheit verkündete und damit die Grenzöffnung der DDR einläutete. Auf dem Gendarmenmarkt wiederum informiert eine Ausstellung des Deutschen Bundestags über die parlamentarische Demokratie der wiedervereinigten Bundesrepublik, wogegen überklebte Straßenschilder den Forderungen nach einer Umbenennung der Straße Ausdruck verleihen, weil die Bezeichnung Mohrenstraße Schwarze Menschen diskriminiere und ein Relikt der kolonialen Vergangenheit sei.
Ich bin die Straße von Ost nach West abgelaufen und hab als erstes ein Wandbild gesehen: „Wenn es sich um Wahrheit und Gerechtigkeit handelt, gibt es nicht die Unterschiede zwischen kleinen und großen Problemen.“ Dieses Zitat stammt aus Albert Einsteins unvollendetem und letztem schriftlichen Manuskript-Entwurf für die Ansprache zum siebten Jahrestag der Unabhängigkeit Israels 1955. Während des Einsteinjahres 2005 wurde dieses Zitat an eine Fassadenwand des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, das sich ganz am Anfang der östlichen M*straße befindet, angebracht. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erkennt man unschwer daran, dass die Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sowie Artikel 1, 2, 3, 20 und 79 auf Infotafeln an der Fassade im Eingangsbereich hängen. Sie wurden 1999 zum 50. Jahrestag des Grundgesetztes dort befestigt. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und „Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ heißt es da.
Ein paar Schritte weiter steht links auf dem Schaufenster in großen Buchstaben: Erinnerung, Aufarbeitung, Verantwortung. Man blickt auf Stuhlreihen, die auf einen Monitor ausgerichtet sind. Auf diesem läuft in Endlosschlaufe ein Film, der nichts weiter als einen Blick auf Meer und Himmel zeigt. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass die Stühle auf einer Schräge stehen und damit ihrer Funktion beraubt sind. Sie gehören zur Installation von Ulrich Schröder, wie auf Infoschildern nachzulesen ist. „Am 9. November 1989 wurde hier Weltgeschichte geschrieben“, heißt es dort. Günter Schabowski verkündete hier – im ehemaligen internationalen Pressezentrum der DDR – die Reisefreiheit.