„Die unsichtbaren Städte“ heißt ein Buch von Italo Calvino, das im Jahr 1972 erschienen ist [1]. Es versammelt knappe Beschreibungen phantasmatischer Städte, sagenhafter Stadtmodelle, historischer Metropolen. Man liest urbane Skizzen, die sich gegen Ende zunehmend verdüstern. In einer sehr späten Skizze, überschrieben mit „Die verborgenen Städte IV“ beschreibt Calvino die Plagen, die die Stadt Theodora heimsuchten: Geier, Schlangen, Spinnen, Fliegen, Holzwürmer, Ratten – in dieser Reihenfolge. Am Ende konnte der wendige Geist des Menschen zwar den Sieg erringen, doch aus der Tiefe der Bibliotheken, aus dem Keller der Legenden, von den Kapitellen kam eine andere Fauna ans Licht, um den Menschen in seinem Schlaf heimzusuchen: „Die Sphinxe, Greife, Chimären, Drachen, Hirschböcke, Hydren, Harpyien, Einhörner, Basilisken nahmen wieder Besitz von ihrer Stadt.“
Rinck: Seit vielen Jahren befasst Du Dich mit den Tierskulpturen, die den Berliner Stadtraum bevölkern. Oder müsste man in diesem Fall nicht eher sagen: beherden, berudeln, bescharen und beschwärmen?
Grindell: Das ist ja eine entscheidende Fragestellung – sie verhalten sich nämlich gerade nicht wie echte Tiere (was einer der Gründe ist, warum es sie überhaupt gibt). Bevölkern tun sie auch nicht. Sie tun gar nichts, stehen eingefroren da. Für mich sind sie eher wie eine Art Interpunktion. Wenn man die Punkte auf der Karte im Kopf verbindet, ergeben sich Wege, Zusammenhänge, Geschichten. Man weiß, wo sie alle stehen, und in ihrer Matrix kann man navigieren. Übrigens, von den am Ende des schönen Calvino-Zitats aufgezählten Wesen kann man die meisten in Berlin als Skulptur besuchen (wo sie aber, im Gegensatz zu den Plagen von Theodora, vorerst brav auf ihren Sockeln bleiben). Die einzige Ausnahme wäre Einhörner. In London sieht man an fast jeder Ecke ein Einhorn. In Berlin nicht. Dafür gibt es in Berlin ein Überangebot an (nicht ganz so mythologischen) Bären.
Rinck: Nicht alle Skulpturen sind mythologischer Natur, aber alle tragen eine Geschichte. Manche stehen mit einem Huf, mit einer Pfote im Reich der Fiktionen und mit den anderen drei in der Wirklichkeit des gegenwärtigen Berlin.
Grindell: Das stimmt, manchmal geschieht das auch sehr unauffällig. Am Nettelbeckplatz zum Beispiel gibt es den „Tanz auf dem Vulkan“ Brunnen von Ludmila Seefried-Matějková, wo junge Menschen in 80er-Jahre Mode gekleidet auf einem sprudelnden Felsen zu Klaviermusik und Live-Gesang feiern. Alles recht realitätsnah dargestellt. Der ältere Mann am Klavier sieht auch irgendwie ortstypisch aus. Nur wenn man näher ran geht und unter seinen Hocker schaut, sieht man, dass sein linkes Bein unter dem Knie als Ziegenfuß ausläuft – ein als Weddinger Kneipenpianist getarnter Satyr also.
Bild: Nicholas Grindell
Rinck: Einiges spricht dafür, dass es in den sichtbaren Städten auch unsichtbare Tierskulpturen gibt.
Grindell: Es gibt sogar sehr viele! Skulpturen kommen und gehen im Laufe der Zeit, in der Erinnerung bleiben sie aber alle bestehen, als unsichtbare Präsenz.
Rinck: Noch vor der Veröffentlichung deines Wegweisers zu den von dir erfassten und erforschten Tierskulpturen, stellst du hier einen kleinen Ausschnitt deiner Sammlung vor und eröffnest damit die Reihe „Stadt im Kopf“.
Stellenausschreibung für einen Höllenhund
Grindell: Auf dem Dorothea-Schlegel-Platz (heißt erst seit 2005 so, früher namenloses Droschken-Umschlagareal), an der Ecke Georgen-/Neustädtische Kirchstraße, gibt es einen Zugang zum unterirdischen S-Bahnsteig vom Bahnhof Friedrichstraße. Am unteren Ende der Treppe, wo der Gang nach rechts abgeht, steht man vor einer Wand mit einer Verblendung aus dunklen Klinkern, ein Überrest der Ausstattung von 1936, als der erste Abschnitt des Nord-Süd-Tunnels nach zweijähriger Bauzeit pünktlich zur Olympiade eröffnet wurde.
In Kopfhöhe in die Verkleidung eingelassen sind zwei Konsolen aus passend dunkler Keramik. In der oberen Fläche ist jeweils ein rundes Loch von etwa 5 Zentimeter Durchmesser und Tiefe; auf der linken Seite wird das Loch noch von einem mittig durchbohrten Blech abgedeckt; in der Wand dahinter, etwa 5 Zentimeter oberhalb der Fläche, sind Löcher gebohrt und mit Mörtel wieder zugemacht worden. All das vermutlich zur Befestigung, eventuell auch für die Stromzufuhr. Noch habe ich nicht herausgefunden, was darauf stand. Es sieht schon sehr nach Beleuchtungskörper aus, trotzdem kann man sich auf den Konsolen irgendwelche Tierfiguren gut vorstellen. Der ganze Bahnhof wurde 1995-1999 saniert (davor war meines Wissens dieser Zugang lange nicht zugänglich). Irgendwann direkt danach kam ich zum ersten Mal hier vorbei, in der Zeit, als ich bereits angefangen hatte, mich mit den Tierskulpturen zu beschäftigen und mir die Bedeutung leerer Sockel bereits dämmerte.
In den allermeisten Fällen deutet so ein leerer Sockel ja darauf hin, dass hier etwas entfernt, eingelagert, umgestellt, gestohlen, zerstört oder eingeschmolzen wurde. In diesem Fall also sind die leeren Konsolen eine Einladung, sich vorzustellen, was für eine unsichtbare Skulptur sich hier befinden könnte.
Bild: google street view
Rinck: Ah, eine vakante Stelle für einen Wächter am Eingang zur Unterwelt. Es muss sich allerdings um einen relativ kleinen handeln, wenn man die Stellfläche des Sockels in Betracht zieht, aber die geringe Größe ist vielleicht reine Camouflage – als Hündchen nur verkleidet erreicht er im menschlichen Bewusstsein die Größe eines Stahlrosses! Eines Öltankers. Solche Höllenhunde verfügen womöglich über formwandlerische Fähigkeiten, worauf allein schon ihre Mehrköpfigkeit einen Hinweis geben könnte.
Grindell: Es würde sich in der Tat um den (oder die) kleinsten der Berliner Höllenhunde handeln. Es gibt noch zwei andere. An der Bundesallee steht die Skulptur „Cerberus“ von Ewerdt Hilgemann, ein luftentleerter Stahlquader, hier jedoch ohne identifizierbaren Untergrundzugang und ohne für mich erkennbare Zerberussität.
Rinck: Vielleicht hat es ja mit dem Eingang zur Investitionsbank zu tun? Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate!
Grindell: Stimmt! Aber vor allen Dingen fungiert diese Skulptur hier als Hinweis auf die anderen Zerberusse, die zurzeit unsichtbar sind. Es gibt nämlich auch den Höllenhund von Waldemar Grzimek auf der Zwischenetage im U-Bahnhof Rathaus Steglitz, der wegen Sanierung eingelagert ist.
Bild: CREATIVE COMMONS, Von Jcornelius (talk) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Rinck: O ja! Das ist ein Hund, der wirklich sehr schwer arbeiten muss. Ein Hund im Dienst. Der Hund, der alles trägt. Ein fundamentaler Hund. Aber wenn an so vielen Stellen in Berlin Höllenhunde platziert sind, würde dies ja nahelegen, dass sich der Hades nicht nur unter der Friedrichstraße erstreckt, sondern das komplette unterirdische Bahnnetz umfasst, oder? Vielleicht gibt es ja zwei, also einen Höllenhund am Eingang, und einen Höllenhund am Ausgang der Hölle. Aber was heißt das für die unterirdische Ausdehnung der Hölle unter Berlin? Wo muss man umsteigen?
Grindell: Am Leopoldplatz! Man kommt direkt mit der S1 von der Friedrichstraße nach Steglitz, aber nicht ganz unterirdisch, deswegen der Umweg über U6 und U9. Die Berliner Hölle erstreckt sich also auch unter Moabit!
Bild: Nicholas Grindell
Der geschenkte Gaul: diverse Spielarten
Grindell: Im Jahre 2000 wurde “S-Printing Horse“ von Jürgen Goertz vor der Print Media Academy installiert, ein Teil der altehrwürdigen Heidelberger Druckmaschinen AG, in Auftrag gegeben vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Firma, Hartmut Mehdorn. Hergestellt aus Edelstahl und Aluminium, 13 Meter hoch und 90 Tonnen schwer, war es die weltgrößte Pferdeplastik. Im Jahre 2007 wurde “Rolling Horse“ von Jürgen Goertz (9,7 Meter, 35 Tonnen) auf einer erhöhten, über Stufen erreichbaren Terrasse am Europaplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof installiert, in Auftrag gegeben vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn. Beide Pferde wurden über den Topf „Kunst am Bau“ abgerechnet.„Rolling Horse“ wurde unmittelbar nach seiner Aufstellung vom Berufsverband Bildender Künstler Berlin (BBK) scharf kritisiert, es sei „von kaum zu überbietender Provinzialität“ und außerdem der Heidelberger Plastik zu ähnlich. Anders als vor einem Jahrhundert jedoch, als Kritiker und Politiker gleich zwei ungewollte Elefantenskulpturen in Berlin verhindern konnten, blieben die Rufe des BBK nach einem öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb für die Gestaltung dieses so prominenten Bahnhofsvorplatzes zunächst fruchtlos.
Rinck: Kurze Zwischenfrage – was hatte es denn mit den beiden Elefantenskulpturen auf sich?
Grindell: 1905 gewann August Gaul den Wettbewerb für ein Denkmal auf dem Steinplatz zu Ehren des Namensgebers. Sein Entwurf sah einen aus seinem Rüssel Wasser speienden Elefanten vor, umstellt von Pelikanen. Es wurde bemängelt, das habe mit dem Freiherrn von Stein nichts zu tun. In seinem Gedicht zur Kontroverse versuchte Joachim Ringelnatz mit der Zeile entgegenzusteuern: „War Stein kein großes Tier?“ Vergebens. Gaul starb 1910, der Krieg kam dazwischen, nach dem Krieg gab es kein Geld.
Und 1913 gewann Fritz Behn den Wettbewerb für ein Denkmal auf dem Baltenplatz (heute Bersarinplatz) zu Ehren der Gefallenen der Kolonialkriege. Sein Entwurf sah einen kolossalen afrikanischen Elefanten auf einem hohen Sockel vor. Ein gewisser Ernst Schneidewind bemängelte: „Die Aufgabe: ein Kolonialkriegerdenkmal. Also ein Werk voll heroischer Stimmung; kommenden Generationen ein Mal zum Zeichen, daß unsere Volksgemeinschaft in wenigen Jahrzehnten aus ihrem romantischen Welt- und Spießbürgertum zu einer Nation erstarkte, daß sie voll Spannkraft über ihre Grenzen nach Kolonialbesitz griff und ihn durch Waffengewalt, durch Opfer an Glut und Blut behauptete. Dem Künstler war die Aufgabe gestellt, einem Stück modernsten nationalen Lebens voll dramatischer Hochspannung bildnerischen Ausdruck zu geben. Die Lösung der Aufgabe: ein E-le-fant! Jawohl, ein Elefant. Man steht erschüttert vor der rührenden Anspruchslosigkeit, der sich mit dieser peinlich trivialen und zoologischen Form begnügte.“ Es gab auch anderslautende Bedenken. Der SPD-Stadtverordnete Wilhelm Pfannkuch sagte: „Wir sind der Meinung, daß Berlin als Pionier des deutschen Gewerbefleißes, als Pfleger von Kunst und Wissenschaft die Hände davon lassen sollte, an der Errichtung eines Denkmals für die Gefallenen mitzuwirken, die auf Kommando die Eingeborenen ihres Heimatrechtes und ihres angestammten Besitzes entäußern mussten.“ Sogar dem Kaiser missfiel Behns Elefant. Der Krieg kam dazwischen. Nach dem Krieg wurde das Denkmal dann doch gebaut, und zwar in Bremen. 1931 errichtete die Hansestadt eine Version von Behns Denkmal in Klinker, die noch im (seit 2014 so genannten) Nelson-Mandela-Park steht, inzwischen (seit 1990) als Antikolonialdenkmal umgewidmet.Rinck: Das an Hässlichkeit kaum zu überbietende „Rolling Horse“ ist uns allerdings erhalten geblieben. Ich fürchte, dieses plumpe Stahlross lässt sich nur durch Demontage verbessern.
Grindell: Nichts wie weg hier – und zwar zu Fuß, an der Spree entlang ist es nicht weit bis zum Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, wo auf einer erhöhten, über Stufen erreichbaren Terrasse der zweite geschenkte Gaul uns erwartet, und zwar wurde Marino Marinis Skulptur „Miracolo – L’idea di un’immagine” 2003 von Irene und Rolf Becker gestiftet, als Denkmal für die Toten des zweiten Weltkriegs.Rinck: Noch ein geschenkter Gaul, aber ganz anderer Natur. Eine Skulptur, der es gelingt, die stürzende Bewegung mit zu verkörpern, das Scheitern, eine Ansicht vom Gegenteil des Heroismus, scheint mir. Die Unbeherrschtheit des Pferdes. La Chute! Der Sturz.Grindell: Neben dem drastischen Bild des seinen Reiter abwerfenden Pferdes bietet diese Terrasse die wohl beste Aussicht auf die zwei leeren Sockel auf dem Reichstaggebäude, wo bis 1945 die beiden mittelalterlichen Herolde von Rudolf Maison standen, die den Krieg beinahe unversehrt überstanden und dann von Buntmetalldieben auf ihre tragenden Stahlgerüste reduziert wurden. Diese unsichtbar gewordenen minimalistischen Stahlgerüstpferdeskulpturen, die wohl nur kurz auf den Sockeln stehen blieben, hatten ja in gewisser Weise auch ihre Reiter abgeworfen. Falls jemand auf die Idee käme, Maisons Herolde erneut auf ihren Sockeln zu installieren, könnten sie nach den verkleinerten Kopien wieder hergestellt werden, die das Ostportal des Bremer Rathauses bewachen, 1901 vom Bankier John Harjes seiner Geburtsstadt gestiftet…
Rinck: Nun sind wir bei Tieren angekommen, die sich nicht an Verkehrsknotenpunkten, sondern in unmittelbarer Nähe der Politik und ihrer Institutionen befinden.
Der Nabel Preußens
Grindell: Bei Säugetieren ist der Bauchnabel ein Zeichen der Verbundenheit, ein Hinweis auf die Herkunft. Bei Städten und Staaten wird diese Rolle seit ewigen Zeiten vom Omphalos (Griechisch: „Nabel“) übernommen, einem Kultstein, der als Mittelpunkt der Welt verehrt wird. Der Omphalos von Delphi war ein mit Wollgirlanden überzogener Meteorit, der Sage nach an der Stelle zu Erde gefallen, wo sich zwei von Zeus im äußersten Osten und im äußersten Westen ausgesandte Adler sich trafen. In Rom gab es, an der Stelle wo Romulus die Stadt ursprünglich gründen ließ, den Umbilicus urbis (Latein: „Nabel der Stadt“). Neben dieser Rolle als Anker für den Gründungsmythos, war dieser Ort in Rom auch der Nullpunkt für die Angaben auf Meilensteinen. In beiden Fällen wurde diese Kultstelle zusätzlich als Verbindung zwischen Himmel, Erde und Unterwelt angesehen.
Auch Preußen hatte eine solche Stelle, und zwar auf dem Platz südlich vom Stadtschloss. Anstatt eines Meteoriten aber wurde der Nabel Preußens ursprünglich von einer imposanten Schinkel-Laterne markiert. 1891 wurde die Laterne durch den Neptunbrunnen ersetzt und der kartographische Nabel der preußischen Welt an den Dönhoffplatz verschoben, wo eine Kopie des Original-Nullpunkt-Meilensteins steht. (Der Neptunbrunnen, „ein Geschenk der Berliner Bürger an den Monarchen“, ist eine von mehreren Tierskulptur-Menagerien in Berlin, heutzutage an dieser Stelle unsichtbar, aber wer weiß, ob er, wie auch die beiden Rossebändiger am Lustgarten, bald wieder an seinen alten Platz zurückkehrt.) Am Schloss selbst wurde die Stelle an der entsprechenden Fassade zusätzlich durch steinerne Omphalos-Ornamente unterhalb aller 28 Fenster des obersten Stockwerks markiert. Da das Schloss wiederauferstanden ist, mitsamt einer detailgetreuen Rekonstruktion des Fassadenschmucks, kann man diese Zierden heute wieder in Augenschein nehmen. Und sich fragen: Was für ein Tier hat 28 Bauchnabel? Wer ankert seinen Gründungsmythos an eine Straßenlaterne? Auf was für eine Herkunft weist das alles hin?
Rinck: Ich musste zunächst an den „Nabel des Traums“ denken – so nennt Freud (in der Traumdeutung) die Stelle, an der der Traum mit dem Unbewussten verbunden ist. „In den bestgedeuteten Träumen muss man oft eine Stelle im Dunkel lassen, weil man bei der Deutung merkt, dass dort ein Knäuel von Traumgedanken anhebt, der sich nicht entwirren will, aber auch zum Trauminhalt keine weiteren Beiträge geliefert hat. Dies ist dann der Nabel des Traums, die Stelle, an der er dem Unbekannten aufsitzt. Die Traumgedanken, auf die man bei der Deutung gerät, müssen ja ganz allgemein ohne Abschluss bleiben und nach allen Seiten hin in die netzartige Verstrickung unserer Gedankenwelt auslaufen. Aus einer dichteren Stelle dieses Geflechts erhebt sich dann der Traumwunsch wie der Pilz aus seinem Mycelium.“ Und das nun gleich 28 Mal!
Grindell: Besser kann man die Sache nicht treffen. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.
Rinck: Damit sind wir auch in gewisser Weise wieder am Anfang angekommen, bei den Tieren, die aus dem Kopf, durch den Traum in der Stadt angekommen sind. Vielleicht, dass sie die einzigen sind, die mit traumhafter Leichtigkeit diese Sphären verbinden und einfach so hindurchstreifen können.
Podcast
„Die Stadt im Kopf“ ist der Titel, den Monika Rinck einer Serie von vier Beiträgen gegeben hat, die im Laufe des langen Jahres 2020 erscheinen werden, sozusagen ein imaginäres Stadtquartett. Wie verändert sich die Vorstellung, die wir uns von unserer Stadt machen, wenn wir sie wochenlang nur durch die Wohnungsfenster sehen? Welche Entdeckungen lassen sich machen, wenn ich in meinem verkleinerten Bewegungsradius immer wieder die gleichen Spaziergänge unternehme? Vielleicht eilen meine Vorstellungen einer Stadt der Zukunft voraus. Oder ich sehe Nachbilder der Stadt, wie sie einmal war.
Nicholas Grindell: geboren und aufgewachsen in England, lebt seit 1993 in Berlin. Seine Übersetzung von Monika Rinck’s Gedichtband „Zum Fernbleiben der Umarmung“ erschien 2011 bei Burning Deck Press als „To Refrain From Embracing“. Seine Übertragung ihrer „Honigprotokolle“ erscheint voraussichtlich 2021.
[1] Italo Calvino: Die unsichtbaren Städte. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Frankfurt am Main 2013.