Die Resilienz der Kunst – zwischen Verdrängung, Pandemie und politischem Stillstand trotzt die nGbK dem Wandel

03.06.2025
Nicht leicht zu finden: Der Eingang zur nGbK am Alex. Foto: Laura Fiorio
Nicht leicht zu finden: Der Eingang zur nGbK am Alex. Foto: Laura Fiorio

Die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK) zählt zu den bedeutendsten und traditionsreichsten Kunstvereinen Berlins. Seit über 50 Jahren steht sie für eine politisch engagierte, themenorientierte Ausstellungspraxis – basisdemokratisch organisiert, offen für alle, konsequent gemeinwohlorientiert. Doch die letzten Jahre stellten den Verein vor existenzielle Herausforderungen: Der Wegfall institutioneller Förderung, die pandemiebedingte Krise, der Verlust der langjährigen Räume in Kreuzberg, ein unerwarteter Regierungswechsel – all das fiel zusammen mit dem Amtsantritt von Annette Maechtel als Geschäftsführerin im Frühjahr 2020. Mit Kultur Mitte spricht sie über fünf turbulente Jahre, Transformation, neue Orte, Potential und das politische Vakuum, in dem sich die freie Kunstszene derzeit wiederfindet. Ein Gespräch über eine Institution, die der sozialen Verantwortung der Kunst verpflichtet bleibt – auch unter widrigsten Bedingungen.

Kultur Mitte: Frau Maechtel, sie haben am 01. März 2020, quasi gleichzeitig mit dem globalen Ausbruch von Covid-19, die Geschäftsführung der nGbK übernommen. Wie hat der Kunstverein die Pandemie überstanden?
Annette Maechtel: Es war ein schwieriger Start. Die Pandemie fiel mit dem Auslaufen unserer jahrzehntelangen Förderung durch die Lottostiftung zusammen. Diese Förderung war 1970 ursprünglich als Anschub gedacht, hatte sich aber über 50 Jahre gehalten. Nun sollte der Verein – wie auch der zweite tradionsreiche Kunstverein der Stadt: der Neue Berliner Kunstverein – in den Berliner Senat übernommen werden, was bis dahin nicht passiert war. Bei der Lottostiftung wurde jedes Jahr ein Antrag auf Förderung gestellt und es konnte während der Pandemie nur abgerechnet werden, was auch stattgefunden hat. Wir mussten also sehr schnell reagieren, digitalisieren, kreativ Projekte online spiegeln. Teilweise haben wir Ausstellungen einfach zu Archiven erklärt, um sie überhaupt zeigen zu dürfen. Gleichzeitig mussten wir mit minimaler Ausstattung – wir hatten zu Beginn nur einen Laptop – Homeoffice ermöglichen. Es gab etwas finanzielle Unterstützung für die Digitalisierung, aber es waren ganz neue Strukturen, die wir aufbauen mussten. Dazu kam dann auch noch die Problematik mit den Räumen.

Eine Frau mit dunklen Harre, dunkelblauer Collegejacke und Halstuch steht in einem Büro und blickt in die Kamera.
Annette Maechtel in den neuen Räumen des Kunstvereins. Foto: Laura Fiorio
Eine Frau mit dunklen Harre, dunkelblauer Collegejacke und Halstuch steht in einem Büro und blickt in die Kamera.
Annette Maechtel in den neuen Räumen des Kunstvereins. Foto: Laura Fiorio

Die NGBK ist 2023 aus den Räumen in der Kreuzberger Oranienstraße ausgezogen. Warum?
Unser Mietvertrag lief aus und wurde nicht verlängert – nicht etwa wegen einer überhöhten Miete, sondern weil das Gebäude als spekulatives Objekt besser ohne Mieter*innen verkauft werden konnte. Das hat mit klassischer Gentrifizierung wenig zu tun, sondern mit dem, was ich als Finanzialisierung der Stadt bezeichne. Auch dem benachbarten Museum der Dinge wurde gekündigt. Wir hatten keine Chance zu bleiben. Wir haben die Situation politisiert und durch unser Programm thematisiert: im Verein hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet, die Veranstaltungen und eine Publikation zu dieser neuen Stadtentwicklung umgesetzt hat. Denn es wurde deutlich, wie wenig transparent neue Eigentümerstrukturen sind. Im Fall der Räumungsklage des Buchladens Kisch & Co, mit dem wir die Räume teilten, musste der Hauptaktionär der luxemburgischen Kapitalgesellschaft nicht einmal offengelegt werden – ein undurchsichtiges Konstrukt mit Sitz in Luxemburg und einer Frankfurter Kanzlei. Politische Unterstützung wurde versprochen, aber es gab keine Verhandlungsmöglichkeiten, weil es kein klares Gegenüber mehr gibt. Die Immobilien waren einfach Teil eines anonymen Verkaufsportfolios – unsere Liegenschaft war „Objekt Nummer 5“. Es zeigte aber auch: Gewerberäume wie unsere sind nicht geschützt, anders als Wohnraum. Dabei übernehmen wir kulturelle und soziale Aufgaben im Kiez. Wir fordern eine differenziertere Betrachtung im Gewerberecht – bundesweit. Wir sind ja keine klassischen Gewerbetreibende, wir nehmen keinen Eintritt, wir haben keine Gewinne und somit eigentlich keine Möglichkeit die 19% Umsatzsteuer umzulegen. All diese Aspekte sind in der Politik nicht präsent, doch ihre Folgen sind dramatisch.

Gilt das für alle kuturellen Institutionen?
Alle – egal ob Atelier, Projektraum oder gemeinnütziger Verein. Kulturorte in Deutschland haben Gewerbemietverträge. Es gibt auch keine Sonderregelung für gemeinnützige Einrichtungen oder Vereine.

Im Vordergund ein Besprechungstisch mit Stühlen, der Blick geht durch ein bodentiefes Fenster auf einen sonnigen Platz.
1/4
Ein Arbeitsplatz mit Blick auf den Fernsehturm. Foto: Laura Fiorio
Im Vordergund ein Geländer, der Blick geht auf einen massiven, vielstöckigen Gebäuderiegel, der der die ganze Bildbreite einnimmt.
2/4
Der Vorzeigebau der Ostmoderne vom Berliner Wahrzeichen aus betrachtet. Foto: Laura Fiorio
Mehstöckige Betonfassade mit Balkonen und einem auskragenden, verglasten Gebäudeteil im Vordergrund.
3/4
Die Fassade aus der Nähe. Foto: Laura Fiorio
Verblichene Wandbemalung mit Clown, Riesenrad und Fernsehturm.
4/4
Zuletzt befand sich hier eine McDonald’s-Filiale. Foto: Laura Fiorio
Im Vordergund ein Besprechungstisch mit Stühlen, der Blick geht durch ein bodentiefes Fenster auf einen sonnigen Platz.
Ein Arbeitsplatz mit Blick auf den Fernsehturm. Foto: Laura Fiorio
1/4
Im Vordergund ein Geländer, der Blick geht auf einen massiven, vielstöckigen Gebäuderiegel, der der die ganze Bildbreite einnimmt.
Der Vorzeigebau der Ostmoderne vom Berliner Wahrzeichen aus betrachtet. Foto: Laura Fiorio
2/4
Mehstöckige Betonfassade mit Balkonen und einem auskragenden, verglasten Gebäudeteil im Vordergrund.
Die Fassade aus der Nähe. Foto: Laura Fiorio
3/4
Verblichene Wandbemalung mit Clown, Riesenrad und Fernsehturm.
Zuletzt befand sich hier eine McDonald’s-Filiale. Foto: Laura Fiorio
4/4

Hat der Berliner Senat bei der Raumsuche unterstützt?
Während der Pandemie wurde dem Verein als Ausweg aus der Raummisere angeboten einen von zwei Pavillons vom Senat für Kultur und Europa, zu beziehen, die an der Karl-Marx-Allee gebaut werden sollten. Das war eine Besonderheit, da dieses Areal unter Denkmalschutz steht. Aber in den ursprünglichen Bebauungsplänen waren diese beiden geplanten Pavillons für kulturelle Nutzungen, schon eingezeichnet, sodass man sich auf diese Pläne berufen konnte. Der Boden dort gehört der Wohnungsbaugesellschaft Mitte, die in öffentlicher Hand ist. Die Mittel für den Bau waren schon von der damaligen Senatsverwaltung als Investitionsmittel zurückgelegt worden und die Gebäude hätten 2025 bezugsfertig sein sollen. 2021 hieß es plötzlich, dass sich der Bau verzögert. Es war aber auch klar, dass wir als Verein nicht mehrere Jahre ohne Räume existieren können und wir die Räume in der Oranienstraße definitiv 2022 verlassen müssen. Über die Wohnungsbaugesellschaft Mitte kamen wir dann an die Zwischennutzung in der wir uns nun befinden: eine ehemalige McDonalds-Filiale. Es ist exakt die Größe, die wir brauchten: 720 Quadratmeter. Zudem wurde uns ein guter Vertrag angeboten. Die Besonderheit des Raumes ist der Stahlskelettbau, typisch für die Ostmoderne. Das heißt, es gibt kaum tragende Wände, der Raum war wie ein unbeschriebenes Blatt. Wir konnten alle Wände neu und flexibel setzen. Da wir die Zwischennutzung möglichst nachhaltig gestalten wollten sind wir nur Untermieterin geworden, der Hauptmietvertrag ist die Kulturraum GmbH, da wir ja in den Pavillon wechseln wollten. So hätte eine andere Kulturmieterin nach uns übernehmen können.

Ein offener Büroraum mit Computerarbeitsplätzen, an denen zwei Menschen sitzen, unverputzete Wände.
1/3
Der Stahlskelettbau bietet im Inneren größtmögliche Flexibilität. Foto: Laura Fiorio
Ein weißer, halbrunder Empfangstresen mit einer Mitarbeiterin, dahinter Regale mit diversen Katalogen.
2/3
Empfangsbereich der nGbK. Foto: Laura Fiorio
Ein Raum mit Schränken voller Pappkartons, Aktenordner und Bücher.
3/3
Im Büro trennen holzgefasste Glaswände die Räume. Foto: Laura Fiorio
Ein offener Büroraum mit Computerarbeitsplätzen, an denen zwei Menschen sitzen, unverputzete Wände.
Der Stahlskelettbau bietet im Inneren größtmögliche Flexibilität. Foto: Laura Fiorio
1/3
Ein weißer, halbrunder Empfangstresen mit einer Mitarbeiterin, dahinter Regale mit diversen Katalogen.
Empfangsbereich der nGbK. Foto: Laura Fiorio
2/3
Ein Raum mit Schränken voller Pappkartons, Aktenordner und Bücher.
Im Büro trennen holzgefasste Glaswände die Räume. Foto: Laura Fiorio
3/3

Die Kulturraum Berlin GmbH ist nun jedoch nach den finanziellen Einschnitten im Berliner Kulturetat von der Abwicklung bedroht.
Ja, genau. Als wir den Vertrag schlossen, hatten wir noch keinen Haushaltstitel im Berliner Senat. Ohne Kulturraum hätten wir also gar keinen Vertrag bekommen – die Wohnungsbaugesellschaft hätte uns als zu riskant eingeschätzt. Erst mit der Kulturraum GmbH und unserem flexiblen Konzept war das möglich.
Unser Konzept sieht einen modularen Raum vor: Der Ausstellungsraum hat 250 qm, kann aber bei Bedarf um bis zu 400 qm erweitert werden. So können wir flexibel auf Förderkürzungen reagieren – kleinere Budgets, kleinere Ausstellungen. Das hilft enorm.

Was wurde aus dem Pavillon?
Das Bauprojekt war für uns eine Art Absicherung, um einen Haushaltstitel des Berliner Senats zu bekommen. Denn wenn man einen Raum bekommt, muss man diesen auch betreiben können – das war die Argumentationslinie. Leider wurde das Projekt nach Regierungswechsel im November 2023 still und leise gestrichen – fast als erste Maßnahme. Alle Vorarbeiten waren abgeschlossen: Architekturwettbewerbe, Raumpläne, Kalkulationen. Es kam einfach ein Schreiben mit der Absage, ohne Begründung. Damit wurde deutlich, dass politisch ein neuer Kurs kommt und nicht mehr in landeseigene Räume investiert wird. 

Wie wirkt sich die aktuelle Haushaltslage auf Sie aus?
Noch nicht drastisch – aber ab 2026 wird es uns alle hart treffen. Bereits jetzt schon ist die freie Szene mit all den Freiberufler*innen überproportional betroffen. Sie sind strukturell nicht abgesichert, kleinteiliger, projektbasiert organisiert – und damit besonders vulnerabel. Ich glaube schon, dass es angekommen ist, dass die Außenwahrnehmung von Berlin auch gerade an diesen Initiativen in der Bildenden Kunst hängt – sie sind eigentlich eine verhältnismäßig günstige Außenwerbung. Es lässt sich jedoch eine Tendenz in den Kürzungen feststellen und zwar genau da, wo es ein diversitätsorientiertes Programm gibt.

Ein großer Raum in Industriearchitektur mit offenen Rohren an den Decken, zu sehen sind bunte Kunstwerke aus Stoff an den Wänden und aufgehängt in der Mitte, rechts eine kleine Skulpturengruppe.
1/3
Blick in den weitläufigen Ausstellungsraum der nGbK. Foto: Laura Fiorio
Dicke freiliegende Metallrohre und elektrische Leitungen.
2/3
Offene Decken tragen zum eigentümlichen Charme der Räume bei. Foto: Laura Fiorio
In Ocker bemalte Wandfläche mit herunterlaufender Farbe.
3/3
Auch die Wandgestaltung hat den Charakter des Unfertigen. Foto: Laura Fiorio
Ein großer Raum in Industriearchitektur mit offenen Rohren an den Decken, zu sehen sind bunte Kunstwerke aus Stoff an den Wänden und aufgehängt in der Mitte, rechts eine kleine Skulpturengruppe.
Blick in den weitläufigen Ausstellungsraum der nGbK. Foto: Laura Fiorio
1/3
Dicke freiliegende Metallrohre und elektrische Leitungen.
Offene Decken tragen zum eigentümlichen Charme der Räume bei. Foto: Laura Fiorio
2/3
In Ocker bemalte Wandfläche mit herunterlaufender Farbe.
Auch die Wandgestaltung hat den Charakter des Unfertigen. Foto: Laura Fiorio
3/3

Haben sich die neuen Räumlichkeiten auf die Arbeit der nGbK ausgewirkt?
Der neue Raum funktioniert ganz anders. Wir haben ganz neue Möglichkeiten, beispielsweise den Veranstaltungsraum an den Ausstellungsraum anschließen zu lassen, sodass so ein diskursives Programm oder eine Performance viel mehr mit dem Ausstellungsraum verbunden sind. Und wir haben die ganzen Themen der Stadt direkt vor der Tür. Aber wir befinden uns nun im ersten Stock – man muss die Einflugschneise um die Ecke mit der Rolltreppe finden. Wir hätten nicht gedacht, welche Herausforderung es ist, hier sichtbar zu sein.

Auf der Werbefläche am Gebäude haben Sie ja auch gar keine Reklame, sondern diese tollen Nistkästen. Werden die von Vögeln genutzt?
Ja, total. Die Wollobjekte von Folke Köbberling sollten die Idee der Nachbarschaft erweitern. Mit einer Lichtdesignerin arbeiten wir nun an der Sichtbarkeit.

Hat sich das Publikum mit dem Umzug geändert?
Ja. Es gibt nicht mehr dieses internationale, kunstaffine Kiez-Publikum. Wir haben natürlich auch ein Stammpublikum, das uns auch hier besucht, aber eben auch Besuchende aus der neuen Nachbarschaft. Hier wohnen ungefähr 6000 Haushalte, die teilweise noch in der DDR sozialisiert wurden, teils kein oder kaum Englisch sprechen und uns auch schon mal mit Klassismus-Vorwürfen konfrontierten Wir achten jetzt auf die Übersetzung aller Ausstellungsteile, auf Untertitel oder deutsche Zusammenfassungen. Für jede Ausstellung gibt es eine kuratorische Einführung per Video. Die Touristen laufen hier in Scharen vorbei und finden uns selten, aber auch die würden wir natürlich als Laufkundschaft gerne anziehen, auch, wenn sie meist mehr Vermittlung brauchen: wer sind wir eigentlich und was machen wir hier?

Ein gepflasterter Platz mit Menschengruppen im Sonnenlicht, rechts vorne zwei Männer mit Rucksäcken, Wanderstock und Fischerhüten.
1/4
Die Tourist*innen vor dem Fernsehturm finden nur selten den Weg in die nGbK. Foto: Laura Fiorio
Im Vordergrund geht eine Gruppe Kinder und Erwachsene an einer Glasfassade vorbei, im Hintergrund ist ein ebenfalls verglastes Bahnhofsgebäude zu sehen.
2/4
An potentiellen Besucher*innen mangelt es in der Gegend am Alexanderplatz aber nicht. Foto: Laura Fiorio
Menschen vor einem Souvenirladen mit buntbemalten Trabbi im Eingang.
3/4
Eine typische Szene aus der Umgebung. Foto: Laura Fiorio
Im Vordergund ein Restaurant mit Sitzplätzen im Freien und roten Sonnenschirmen, eine Gruppe von Kindern läuft vorbei, im Hintergund ein im Bau befindliches Hochhaus.
4/4
Das Pflaster direkt vor der nGbK. Foto: Laura Fiorio
Ein gepflasterter Platz mit Menschengruppen im Sonnenlicht, rechts vorne zwei Männer mit Rucksäcken, Wanderstock und Fischerhüten.
Die Tourist*innen vor dem Fernsehturm finden nur selten den Weg in die nGbK. Foto: Laura Fiorio
1/4
Im Vordergrund geht eine Gruppe Kinder und Erwachsene an einer Glasfassade vorbei, im Hintergrund ist ein ebenfalls verglastes Bahnhofsgebäude zu sehen.
An potentiellen Besucher*innen mangelt es in der Gegend am Alexanderplatz aber nicht. Foto: Laura Fiorio
2/4
Menschen vor einem Souvenirladen mit buntbemalten Trabbi im Eingang.
Eine typische Szene aus der Umgebung. Foto: Laura Fiorio
3/4
Im Vordergund ein Restaurant mit Sitzplätzen im Freien und roten Sonnenschirmen, eine Gruppe von Kindern läuft vorbei, im Hintergund ein im Bau befindliches Hochhaus.
Das Pflaster direkt vor der nGbK. Foto: Laura Fiorio
4/4

Ja was machen Sie denn eigentlich hier? Was macht so ein Kunstverein?
Wir bringen Themen nach Berlin, die ansonsten im Kunstfeld nicht verhandelt werden. Die nGbK hat als eine der ersten Institutionen das Format der thematischen Gruppenausstellung entwickelt. Zum Beispiel haben wir schon in den 1990er Jahren Ausstellungen zum Thema AIDS gemacht. Nicht als Charity-Ausstellungen wie in New York, sondern mit Arbeiten, die sich inhaltlich-künstlerisch dem Thema genähert haben. Wir sind kein Museum, wir haben keine Sammlung, sondern verhandeln Fragen der Zeit, der Gegenwart über künstlerische Werke. Eine unserer letzten Ausstellungen verhandelte beispielsweise die sozialen Kämpfe in den ländlichen Regionen zu Atommülllendlagern. Unsere Ausstellungen zeigen machkritische Haltungen und es werden über die Ästhetik Zugänge zu gesellschaftspolitischen Fragen geöffnet. Wir zeigen aber auch oftmals Positionen, die bisher in der Kunstgeschichte ausgeblendet wurden, wie bei der Künstlerinnengruppe Erfurt, deren Filme zuvor noch nirgends gezeigt wurden. Wir versuchen Lücken zu schließen und marginalisierten Themen Räume zu bieten, die aus anderen Kontexten herausfallen. In 2022 zeigten wir eine Ausstellung, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit oppositionellen künstlerischen Positionen aus Russland thematisierte. In 2023 folgte dann eine Kooperation mit der Kyiv Biennale, da der Krieg zu einer Welle investigativer, forschungsbasierter und dokumentarischer Ansätze von Künstler*innen geführt hat, mit dem Ziel, Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln.

Der Verein funktioniert basisidemokratisch. Was bedeutet das konkret für die Themen, die Ausstellungen? Wie wird das Programm gestaltet, gefunden?
Das ist der große Unterschied zu anderen Kunstvereinen. Die Programmauswahl findet in einer Hauptversammlung statt. Das Programm basiert auf einem Open Call. Man kann sich, auch wenn man noch nicht Mitglied ist, für einen Ausstellungs-Slot bewerben. Es gibt bei uns keine leitende künstlerische Position, sondern jedes Jahr wechselnden Kurator*innen. Ich bin die Geschäftsführung und achte auf die Prozesse.

Jede*r kann Mitglied werden in der NGBK. Wie viele zählt Ihr Verein denn gerade?
Wir haben fast konstant circa 1100. Der Beitrag ist insbesondere für Künstler*innen oder Kulturschaffende mit 25 Euro im Jahr sehr günstig. Inklusive 50% Rabatt auf alle Publikationen – es lohnt sich.

neue Gesellschaft für bildende Kunst
Karl-Liebknecht-Straße 11/13
10178 Berlin

Das Büro ist von Mo-Do, 10–16 Uhr besetzt.

Teilen