„Indie Stabi“ heißt eine Veranstaltungsreihe, die seit Sommer 2022 jeweils am ersten Dienstag im Monat zwei unabhängige Verlage dazu einlädt, sich im Innenhof der Staatsbibliothek einem interessierten Publikum vorzustellen. Sie findet in Kooperation mit der Kurt Wolff Stiftung statt, die den Berliner Verlagspreis vergibt. Das Prinzip dabei: Einer der beiden Verlage steht auf der Shortlist für diesen Preis und holt sich einen weiteren Verlag als Dialogpartner für den Abend dazu.
In diesem Fall hat der Verleger Klaus Bittermann, der vor über 40 Jahren die Edition Tiamat gegründet hat, den in Berlin-Mitte beheimateten Verlag FELDER BOOKS BERLIN eingeladen. Beide Verlage verbindet, dass sie Ein- bzw. Zwei-Personen-Betriebe sind und – bis auf den Druck – alles selber machen. Dafür entstehen nur die Bücher, auf die sie wirklich Lust haben. Darüber hinaus gibt es auch eine ganz konkrete Arbeitsbeziehung zwischen den beiden: Mit ihrem seit dem Jahr 2000 bestehenden Grafik Design Studio Felder KölnBerlin haben Müller und Rademächers viele Tiamat-Cover gestaltet. Schnell wird deutlich, dass das Format, zwei sich zugewandte Verlage zusammenzubringen eine schöne Basis für offene Gespräche über die Freuden und Herausforderungen des Verlegerdaseins ist (u.a.: Wie fallen die Cover auf den Büchertischen auf? Instagram ja oder nein?)
Eine klassische Corona-Geburt
Zu Beginn erläutert Winnes Rademächers wie er und seine Partnerin zu Verleger*innen wurden: „Wir sind eine klassische Corona-Geburt. Als Grafiker haben wir einen Schwerpunkt auf Buchgestaltung und Ausstellungsgrafik für Museen. Als diese während der Corona-Pandemie geschlossen waren, fielen viele Aufträge weg und wir hatten viel Zeit, das zu machen, was wir schon lange machen wollten: unsere eigenen Bücher.“ Rademächers nimmt eines der schmalen Hefte hoch und zeigt es dem Publikum: „Out of Order ist eine Sammlung von Schwarz-Weiß-Fotos von Druckern ‚for free’, die wir auf Berliner Straßen fotografiert haben. Es gibt noch mehr Serien, die auf diese Weise entstanden sind und die wir fortlaufend ergänzen.” Hört man Rademächers etwas länger über den Verlag sprechen, spürt man eine Lust am interdisziplinären Denken und am eigenwilligen Format.
Bei den Publikationen, die er auf seinem Büchertisch ausgelegt hat, fallen zwei Dinge auf: das minimalistische Design und ein Faible für Zeichnungen. Da ist es naheliegend, dass drei Comics und mehrere Kinderbücher zum Programm gehören, wie die zwei Hardcover mit den Titeln Kritzel und Heb mal ein Bein! Dazu passt der Anspruch, Bücher zu machen, die zugänglich und erschwinglich sind. Zum Beispiel Ring Ring, Abbildungen von Originalzeichnungen von Rademächers im kleinen DIN-A6-Format: „Das ist tatsächlich auch so ein Grundgedanke von uns, dass jeder Kunst mit nach Hause nehmen kann.“ Während Bittermann, der 1981 nach West-Berlin kam, in der Hausbesetzer*innenszene sozialisiert wurde, stammt Rademächers aus dem Rheinland und hat schon als Jugendlicher Fanzines gemacht. „Mich hat die 80er-Jahre-Punk- und DIY-Bewegung geprägt“, erzählt er.
Während die Edition Tiamat einen Schwerpunkt auf Romanen und Sachbüchern hat, die man klassisch in Buchläden kaufen kann, publiziert FELDER BOOKS BERLIN Bücher unter der Klammer „Kunst“ – und hat dafür eigene Vertriebswege: „Wir gehen viel auf Kunstbuchmessen wie die „Miss Read“ im HKW in Berlin, „It’s a book“ in Leipzig oder „Indiecon“ in Hamburg und sind auch international unterwegs. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel in Tokio und in Los Angeles. Das war uns von Anfang an wichtig: Uns international zu orientieren. Und da die meisten Bücher ohne Text auskommen und englische Titel haben, funktioniert das gut.“
Spürbarer Enthusiasmus
Aus dem Publikum kommt die Frage, wie die beiden Verleger mit eingereichten Manuskripten umgehen. Bittermann erzählt, dass er in seinem langen Verlegerdasein nur ein Buch gemacht hat, das als Manuskript zu ihm gekommen ist. Seinem Eindruck nach wurden die Manuskripte, die er zugesendet bekommt, bereits vielen anderen Verlagen angeboten. Für Felder Books Berlin sei die Situation etwas anders, sagt Rademächers, denn sie bekämen viele Anfragen, die gut zum Programm passten. Da der Verlag neu gestartet ist, würden sie gerade erst anfangen, Bücher von anderen Künstler*innen zu publizieren.
„Was ist die Vision für die Zukunft?“, lautet die Abschlussfrage aus dem Publikum. „Wir möchten die ersten drei Jahre überstehen, das ist ja so eine Hürde, und da es in Deutschland keine strukturelle Förderung für Verlage gibt, ist das nicht so einfach.“ Die Auszeichnung der Stiftung Buchkunst von Heb mal ein Bein! als eines der schönsten deutschen Bücher war auf jeden Fall schon mal sehr hilfreich. Der Enthusiasmus, mit dem das Verlegerpaar dabei ist, spricht sehr dafür, dass sie die ersten drei Jahre locker überstehen werden.
Infos:
Indie Stabi – unabhängige Verlage stellen sich vor.
https://blog.sbb.berlin/indie_stabi/
Nächster Termin: Ariella Verlag trifft MaroVerlag am Dienstag, 3. September 2024, 18 Uhr
Staatsbibliothek zu Berlin
Cafeteria / Café Felix
Unter den Linden 8
10117 Berlin
Mehr zu FELDER BOOKS BERLIN und Felder KölnBerlin gibt es hier:
https://www.felderbooksberlin.de/
https://www.felder-koelnberlin.de/