Wilma Lukatsch

Dr. Wilma Lukatsch ist freie Autorin, Herausgeberin von Künstler*innentexten und -gesprächen und forscht zu dekolonialer Praxis und Kunsttheorie. Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte, Religionswissenschaften und Soziologie an der FU und der HU Berlin promovierte sie über Maria Thereza Alves an der UdK Berlin.

Was uns trägt und was uns steht #2

15.08.2024
„Felicious“ in der Schröderstraße – Ladengeschäft und Werkstatt in einem. Foto: Max Creasy
„Felicious“ in der Schröderstraße – Ladengeschäft und Werkstatt in einem. Foto: Max Creasy

Ein Gespräch mit der Goldschmiedin Felicitas Seidler, die seit 2008 das Schmuckgeschäft „Felicious“ in Berlin-Mitte betreibt. Sie verrät, woher sie ihre Inspiration nimmt, wer ihre Kund*innen sind – und warum die Arbeit mit Edelmetallen ein ressourcenschonender Kreislauf ist.

Wilma Lukatsch: Erst einmal möchte ich Danke sagen. Es freut mich, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch für das KulturMitte Magazin nimmst.

Felicitas Seidler: Gerne. Es freut mich meinerseits, dass du mich kontaktiert hast.

WL: Damit steigen wir gleich mit der ersten Frage ein: Seit wann gibt es dein Label Felicious und seit wann bist du hier mit deinem Laden in der Schröderstraße? Auch finde ich den Namen Felicious auffallend, weil darin so eine verführerische Mischung aus delicious und GlücklichsSein anklingt.

FS: Ja, und es steckt außerdem mein Name drin, was ich auch mag. Auf Felicious ist damals ein Freund gekommen und auch wenn ich nicht weiß, ob ich diesen Namen heute noch einmal wählen würde, mag ich den Namen immer noch. Das Label habe ich gegründet, als ich nach Berlin gekommen bin. Zu der Zeit habe ich eher kleinere Auftragsarbeiten gemacht und hatte dafür zunächst einen Arbeitsplatz in der Goldschmiede in der Chausseestraße gemietet.

WL: Das heißt, du bist als ausgebildete Goldschmiedin nach Berlin gekommen und wusstest, dass Berlin der Ort ist, an dem du dein Handwerk ausüben möchtest?

FS: Ja, richtig. Zu der Zeit war ich mit der Ausbildung fertig, wobei ich eher aus privaten Gründen nach Berlin gezogen bin. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich mein Ding nur schwer in Hamburg hätte machen können. Hamburg war damals in einer Art und Weise bürgerlich… so etwas wie hier hätte ich dort nicht machen können. Das hat sich mittlerweile verändert. Aber zunächst hatte ich 2001 die Ausbildung abgeschlossen, dann ein bisschen rumgejobbt, aber ich hatte da schon einen Tisch als Goldschmiedin gemietet. Dann bin ich 2003 nach Berlin gekommen und habe auch hier zunächst einen Platz gemietet. Als ich gemerkt habe, dass das Geschäft anzieht, habe ich 2006 mein Label gegründet und bin 2008 hier in die Räume in der Schröderstraße gezogen.

Aus den Serien „Doublesphere“ (links) und „Rope“. Fotos: Felicitas Seidler

WL: Wie hast du deine Sachen damals sichtbar gemacht?

FS: Weitestgehend geschah das über Mundpropaganda. Ich habe gejobbt und das Handwerk nebenbei gemacht, habe aber schnell gemerkt, dass ich das eigentlich ganz machen möchte und habe dann zusammen mit einer befreundeten Grafikerin einen Raum gesucht. Wir wollten nach Mitte, das war absolut klar. Wir sind dann hier in der Gegend ein bisschen rummäandert und haben Ausschau gehalten. In dem Laden hier waren die Rollläden runtergelassen und wir sind an den Vermieter herangetreten. Der hatte das Haus gerade gekauft; wir sind also genau im richtigen Moment gekommen. Die besagte Freundin hatte mittlerweile eine Sinnkrise und ist von der Grafik in die Psychologie gewechselt, so dass ich dachte: „Na gut, dann wird das hier mein Arbeitsraum mit Schaufenster.“ So entstand recht schnell auch der nächste Schritt, nämlich, dass ich Öffnungszeiten mache und schaue, was passiert. Ich hatte aber nicht vorab den Plan einen Laden aufzumachen. Ich bin da eher so reingestolpert.

WL: Ja toll, und von wegen Businessplan und so. (beide lachen)

FS: Genau. Ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht, ob ich das mit so einem Plan überhaupt gemacht hätte. Es hat sich so ergeben, auch weil die Miete total in Ordnung war. Das heißt, ich konnte einfach anfangen und sehen, was sich daraus entwickelt. Und das war eine ganze Menge, so dass ich irgendwann dachte: „Jetzt lasse ich den Nebenjob weg und mache nur noch das!“

WL: Das heißt, du hast dein Ladenschild draußen aufgestellt, die Öffnungszeiten an die Tür geschrieben und dann gings los?

FS: Genau, und ich hatte mir ja auch schon ein Netzwerk aufgebaut, und es sprach sich herum, dass ich einen Laden aufgemacht habe. Alles hat sich sehr organisch entwickelt, was ich total schön fand. Ich glaube, ein dicker Geschäftsgründungskredit wäre nichts für mich gewesen.

Das Ladengeschäft von außen. Fotos: Felicitas Seidler, Max Creasy (rechts)

WL: Das ist interessant, die Modemacherin Anuschka Hoevener beschreibt das ähnlich. Am Anfang standen die Lust und die Überzeugung einen Laden aufmachen zu wollen, dann fand sich ein Raum und von Tag eins an lief das Geschäft ziemlich gut. Das finde ich nicht nur erfreulich, sondern auch ermutigend: Dinge einfach machen und wagen. Heute wäre das vielleicht nicht mehr so einfach möglich. Trotzdem denke ich, dass immer noch sehr viel erreich- und machbar ist.

FS: Ja, da ging es mir wie Anuschka. Ich habe den Laden vor Weihnachten aufgemacht und hatte gleich ein bombiges Weihnachtsgeschäft. Aber ich weiß nicht, ob ich es gemacht hätte – das knüpft an eine deiner Fragen an –, wenn Berlin damals nicht so eine Spielwiese gewesen wäre. Man konnte mit wenig Geld rumknödeln ohne Druck zu haben. Das war schon etwas Besonderes. Ich weiß nicht, ob man das heute noch so machen kann. Das ist wesentlich tougher geworden.

WL: War für dich von Anfang an klar, dass du das Geschäft allein machen möchtest?

FS: Ja, auf jeden Fall. Ich bin eine Eigenbrötlerin und habe gemerkt, dass ich gerne alleine bin. Außerdem habe ich viele Kontakte im täglichen Geschäft: Kund*innen, Nachbar*innen und die Straße vor der Tür. Abgesehen davon bin ich nicht der Typ, der den ganzen Tag Gewusel braucht. Das geht bei dieser Art Arbeit auch gar nicht. Da habe ich wirklich gerne meine Ruhe.

WL: Ja, das leuchtet mir ein, und ich frage deshalb auch dich: Wann arbeitet man eigentlich, wenn man ein Geschäft mit Öffnungszeiten alleine schiebt? Kreativität braucht Zeit, Muße und oft eben auch Ruhe. Wie ist das bei dir? Du kannst ja teilweise auch nur schwer unterbrochen werden, wenn du die Materialien temperatur- und punktgenau bearbeiten musst?

FS: Ja, das stimmt. Ich habe hier aber das Privileg, dass die Leute, die kommen, in der Regel etwas möchten. Hierher kommen wenige Menschen, die eine halbe Stunde quasseln, alles durcheinanderwerfen und dann wieder gehen. Die Menschen kommen gezielt, das heißt, wenn ich unterbrochen werde, wird da meistens auch etwas draus. Und oft bleibe ich abends länger. Aber deshalb habe ich mich von Anfang an für Öffnungszeiten von Mittwoch bis Samstag entschieden. Ich brauche mindestens einen Tag, an dem ich in Ruhe arbeiten kann. Die Öffnungszeiten sind also aus dem Wissen entstanden, dass ich es keine drei Jahre durchhalte, wenn ich Montag bis Samstag 12 bis 19 Uhr aufmache.

WL: Ja, insbesondere wenn ich weiß, dass ich dich zu diesen Zeiten immer persönlich antreffe. Denn ich vermute, dass das Kund*innengespräch nicht ohne Weiteres von einer Vertretung zu machen ist, oder?

FS: Ja, deswegen schließe ich den Laden in der Regel auch, wenn ich Urlaub mache. Eine Zeitlang hat eine Freundin einen Samstag im Monat die Öffnungszeiten übernommen, aber die Leute kamen teilweise wieder, wenn ich nicht da war. Das Verkaufsgespräch ist total an meine Person geknüpft. Deshalb versuche ich, mir den nötigen Freiraum bei der Realisierung des täglichen Ladengeschäfts zu schaffen und gestalte alles so, wie es für mich passt. Und dann schaue ich, was passiert.

WL: Sind deine Kund*innen vor allem Berliner*innen und sind es vor allem Frauen oder ist das gemischt?

FS: Es ist eine Mischung, aber vor allem sind es Frauen. Und Männer, die Geschenke kaufen. Es kommen auch viele Paare, weil ich auch Trauringe anfertige oder individuelle Wünsche umsetze. Ich würde sagen, im Schnitt kommen 70% Frauen und vermutlich 70% der Kund*innen kommen aus Berlin. Im Moment entwickle ich einen Onlineshop; wir fangen zwar gerade erst an, aber er ist im Entstehen. Dann wird sicher noch eine andere Klientel dazukommen.

Felicitas Seidler verzichtet in ihrem Laden auf eine „Nachtauslage“. Fotos: Max Creasy

WL: Von anderen Goldschmied*innen weiß ich, dass sie wegen des hohen Materialwertes oft eine sogenannte „Nachtauslage“ ins Schaufenster legen. Wie gehst du damit hier um?

FS: Es kommt darauf an, was man anbietet. Meine Kollektion besteht ja aus Silber und vergoldetem Silber. Das war von Anfang an eine bewusste Entscheidung. Ich habe zwar eine ganz klassische Ausbildung in einem Laden gemacht, wo wir mit Gold und dickem Steinen Ringe gebaut haben. Das war toll, um das Handwerk zu lernen und die besondere Wertigkeit der Materialien zu erfahren. Aber für meine eigene Kollektion war klar, dass ich das anders machen möchte: Ich wollte mir immer meinen eigenen Schmuck leisten können. Natürlich können die Leute auch alles massiv in Gold bestellen. Das kommt auch vor, aber das sind Sonderanfertigungen. Deshalb fällt das Thema Nachtauslage bei mir weg. Trotzdem gab es schon Einbrüche, weil die Einbrecher nicht verstanden haben, dass ein goldfarbener Armreif für 220 Euro nicht aus reinem Gold sein kann. Mein Ansatz war aber ein bisschen demokratischer: Ich wollte Schmuck herstellen, den ich mir selber leisten kann und nicht für eine Klientel produzieren, mit der ich nicht viel gemeinsam habe.

WL: Wenn dein Hauptmaterial Silber ist, spürst du dann bei Goldanfertigungen eine gewisse, durchaus positive Anspannung? Ich kenne eine prickelnde Aufregung aus der Buchproduktion, wenn man mit besonderen Papieren oder Druckverfahren arbeitet. Da ist man oft anders euphorisiert oder auch ein bisschen nervös.

FS: Ja, das stimmt auf jeden Fall. Bei Silber ist alles ein bisschen unaufgeregter, einfach, weil es nicht so einen hohen Wert hat. Wenn mal etwas nicht klappt, ist es nicht so schlimm und man macht es noch einmal. Wenn ich mit Gold arbeite, ist ein bisschen mehr Anspannung dabei. Wobei, wenn jemand etwas aus meiner Kollektion in Gold bestellt, ist es im Grunde ja derselbe Verarbeitungsprozess und ich weiß genau, wie ich rangehen muss. Aber der häufigste Fall ist, dass ich Einzelstücke aus Gold mache. Dann ist es natürlich ein neuer Prozess, und ich muss mich in die Dinge reinfuchsen. Manchmal ist das eine große Herausforderung, aber gerade das ist das Tolle. Der Arbeitsprozess mit den unterschiedlichen Materialen ist ähnlich, aber das Gefühl ist ein anderes.

WL: Ein anderes Thema ist dein Werdegang. Du bist eigentlich Architektin, hast aber nie als solche gearbeitet, sondern bist im Anschluss an das Studium ins Goldschmiedehandwerk gegangen, hast dich für eine handwerkliche Ausbildung entschieden. Dennoch spielen architektonische Formen eine wichtige Rolle in deinen Entwürfen. Woher stammen deine Inspirationen und Einflüsse? Hattest du prägende Lehrer*innen oder Erlebnisse?

FS: Eine konkrete Person gibt es nicht, aber ich muss sagen, dass Architektur auf jeden Fall immer noch eine riesengroße Inspiration für mich ist. Die Idee zur Serie Frame zum Beispiel entstand in Chicago. Ich wollte etwas richtig Art-déco-/Architekturmäßiges entwickeln und habe dafür sogar das erste Mal in 3D gedruckt und dann gegossen. Die Serie habe ich wirklich am Computer entworfen, weil ich mich dem neuen Verarbeitungsprozess öffnen wollte. In der Architektur mag ich vor allem das Grafische und ein bisschen Strenge; und sie hat insofern eine gewisse Nähe zur Goldschmiedearbeit, als dass beides gestalterische Berufe sind. Zugleich habe ich gemerkt, dass ich keinen Bürojob machen möchte. Und zu deiner Frage nach wichtigen Eindrücken oder Erinnerungen ist mir witzigerweise etwas aus meiner Kindheit eingefallen: Wenn mich meine Mutter zum Klavierunterricht gefahren hat, sind wir immer durch ein Neubaugebiet in Hildesheim gefahren und haben dort Häuser angeguckt. Da war natürlich viel Standard dabei, typische 80er-Jahre-Architektur, aber es gab auch ein paar irre Gebäude, die mich immer schon total gereizt haben. Außerdem war mein Vater Geschichtslehrer und wir haben viele Reisen nach Italien gemacht und uns viel angeschaut. Das hat mein Auge für Bauwerke garantiert geprägt.

Chicago als Inspiration – die Serie „Frame“. Foto: Johann Clausen

WL: Vielleicht ist Schmuck ja eine Art Architektur en miniature?

FS: Ja, man spricht im Goldschmieden auch von „bauen“: „Einen Ring bauen“. Das finde ich interessant, weil Schmuck wirklich aus Komponenten zusammengesetzt wird. So gesehen hat das Goldschmieden etwas von Bauen.

WL: Deine Arbeiten und ästhetischen Entwürfe sind oft recht streng und wie Klartext, das heißt, es gibt eher wenig Verschnörkeltes. Würdest du dem zustimmen?

FS: Ja  – weitestgehend. Es gibt ein paar „Ausrutscher“ – die gekordelten Arbeiten zum Beispiel fallen etwas raus. Das Motiv der Kordel war einfach eine Inspiration und den Einfluss der Architektur kann ich klar benennen. Andere Einflüsse hingegen wabern ein bisschen, und ich kann sie nicht so klar benennen. Generell habe ich aber das Gefühl, dass ich mit einem ästhetischen Blick durch die Welt gehe und hin und wieder poppt einfach etwas bei mir auf oder stellt eine Verbindung zu meinem Gespür her; etwas, das ich interessant und inspirierend finde. Dieser Ring hier zum Beispiel ist von den Buchstützen bei mir zu Hause inspiriert. Diese Stützen sind aus Holz und haben eine L-Form und im Eck sitzt eine Kugel. Da habe ich immer schon gedacht, dass ich daraus eine Schmuckserie machen möchte: die Doublesphere. Das heißt, manchmal gibt es etwas ganz Konkretes, das ich gerne in Schmuck übersetzen möchte. Eine andere, wichtige Erinnerung ist, dass es in Hildesheim, wo ich herkomme, eine tolle Goldschmiedin gab und gibt. Die Goldschmiede Blume war für die Größe der Stadt wahnsinnig innovativ und experimentell. Das Geschäft war am Anfang der Fußgängerzone, und ich habe mir als Jugendliche an der Schaufensterdekoration die Nase plattgedrückt. Da hatte ich eigentlich schon die Idee Goldschmiedin zu werden. Dann ist es aber doch das Architekturstudium geworden. Zugleich habe ich gemerkt, dass mir der Prozess in der Architektur zu langwierig ist. Und das Tolle am Handwerk ist, dass ich abends sehen kann, was ich tagsüber gemacht habe. Das ist viel konkreter. Ich arbeite auch kaum mit Skizzen, sondern die Ideen entstehen im Kopf und ich probiere sie dann direkt am Material aus. Ich brauche das Visuelle und Haptische. Dann weiß ich, ob etwas funktioniert oder ob etwas verändert werden muss. Für Doublesphere habe ich zum Beispiel einen Prototypen gebaut und dann gemerkt, dass die Ringschiene dicker werden muss, bevor das in den Gussprozess wandern kann. So etwas sehe ich erst am Material.

WL: Wie oft kann man Silber eigentlich einschmelzen?

FS: Theoretisch unendlich oft. Ich hebe natürlich alles auf; Gold erst recht. Ich habe unten an meinem Arbeitstisch eine Art Auffangeinrichtung, das Fell, wo alles reinfällt, auch der ganz feine Staub. Das sammelt man und gibt es alle paar Jahre in die Scheideanstalt. Dort wird aus dem 925er Silber das Feinsilber rausgeholt und auf das Konto in der Scheideanstalt gelegt. Daraus kann ich mich dann wieder bedienen.

WL: Das ist spannend. Das heißt, du sammelst alles „Abfallende“ in diesem Fell?

FS: Ja, genau. Man sagt zwar Fell, aber es ist eigentlich ein Leder; das hier ist Rind. Darin sammelt sich der Feinstaub. Weil es Edelmetalle sind, hebt man natürlich alles gut auf. Man kann also sagen, dass man viel mit recycelten Materialien arbeitet. Gerade in Deutschland kommt sehr viel Material aus diesem Kreislauf. Die Firma, mit der ich arbeite, bezieht höchstens 10% an frischem Silber oder Gold aus Minen.

Werktisch mit „Fell“ (rechts). Fotos: Max Creasy

WL: Die Arbeit mit Edelmetallen ist also per se ein Kreislauf.

FS: Genau, das Volumen nimmt natürlich ein bisschen ab, aber ansonsten ist es ein Durchlauf.

WL: Man arbeitet im besten Fall also mit einer einzigen Firma zusammen und pflegt mit ihr über lange Zeit diesen Kreislauf.

FS: Ja, ganz genau. Manchmal findet der Kreislauf auch direkt statt, wenn zum Beispiel Leute mit Eheringen von den Großeltern kommen, die sie gerne mit einbeziehen wollen. Dann lasse ich das Material aufbereiten, und es geht dann zur Gießerei. Aber alles andere, was hier im Arbeitsprozess anfällt, wird gesammelt und alle zwei, drei Jahre in die Scheideanstalt geschickt.

WL: Ich würde gerne noch wissen, ob du auch an Messen oder anderen Events teilnimmst?

FS: Nein, das mache ich nicht. Ich habe das eine Zeit lang überlegt, mich aber dagegen entschieden, weil mir Viele sagten, dass sich das nicht lohnt und oftmals mehr Aufwand als Nutzen ist. Auch Kommissionen mache ich nicht mehr. Ich habe meine Sachen eine Zeit lang über andere Läden verkauft; aber das ist ein schwieriges Feld. Ich habe mich oft geärgert und irgendwann beschlossen: „Schluss damit“. Wenn ein Laden etwas kaufen will, freue ich mich, ansonsten gibt es die Sachen hier bei mir. Auch Weihnachtsmärkte mache ich nicht, weil ich dann an einem wichtigen Samstag im Dezember den Laden zumachen müsste. Das macht für mich keinen Sinn, weil ich merke, dass der Laden selbst das beste Marketing-Tool ist, das ich habe. Es kommen auch öfter Leute, die den Laden abends beim Spazierengehen entdeckt haben. Die kommen dann zwei Tage später wieder vorbei. Sowas passiert öfter als man denkt. Oft fragen mich Leute, ob es hier überhaupt Laufkundschaft gibt – ja, die gibt es und für meinen Geschmack genau im richtigen Maß. Wenn ich auf der Mulackstraße wäre und jeden Tag 200 Leute hier hätte, dann wäre mir das zu viel. Hier bin ich ein bisschen in zweiter Reihe, und das ist genau richtig für mich. Die Straße hat sich im Moment auch sehr schön entwickelt. Lange Zeit gab es hier ein paar tolle Läden, und es war eine super Nachbarschaft. Von denen war dann auf einmal nur noch ich übrig und für einen kurzen Moment stellte ich mir die Frage, ob das hier noch ein guter Standort für mich ist. Mir fiel aber auch kein besserer ein. Außerdem kommen Leute durchaus auch gezielt aus Kreuzberg und Charlottenburg hierher.

WL: Ja, und die Adresse hat sich ja auch über lange Zeit etabliert, und es gibt im Moment keinen triftigen Grund für dich umzuziehen, oder?

FS: Ich bin jetzt 15, 16 Jahre hier und man kennt mich hier. Ich will zwar nicht sagen, dass ich niemals irgendwo anders sein möchte, aber im Moment sehe ich das nicht und habe auch nicht den Drang danach. Ich fühle mich hier wohl, und es passt immer noch. Außerdem wird der geplante Onlineshop auch eine Art Erweiterung des Raums sein.

WL: Noch einmal kurz zurück zu der Frage nach den Kollektionen. Du hast Serien mit Titeln wie Circle, Frame oder Doublesphere. Sind diese Serien für dich abgeschlossen oder können sie sich immer weiterentwickeln?

FS: Manchmal tun sie das, aber in der Regel nicht. Bei der Serie Twisted zum Beispiel bin ich gerade ganz radikal. Da verkaufe ich die „feine“ Variante derzeit ab, denn die Sachen werden nun ein bisschen kräftiger, was ich total schön finde. Deshalb habe ich das Design der Serie verändert und sie kräftiger ausgearbeitet. Tatsächlich kommen mir oft abends im Bett beim Einschlafen die Ideen. Manchmal stehe ich auf, mache mir eine kleine Skizze oder ein paar Stichwörter. So dachte ich, dass es schön wäre, wenn es in dieser neuen Serie auch eine Kette geben würde. Mir fiel aber partout nichts Passendes ein und deshalb gibt es jetzt keine. Irgendwann kommt der Punkt, wo ich die Entwicklung einer Serie abschließe, weil ich mich kopfmäßig schon mit anderen Dingen beschäftige.

WL: Du bist in der Hinsicht also weder verbissen noch auf „Vollständigkeit“ bedacht, sondern lebst mit den Wellen deiner Kreativität.

FS: Ja, genau. Ich vertraue meiner Intuition. Ich habe deshalb auch von Anfang an keinen festen Serien-Rhythmus eingehalten. Schmuckstücke sind für mich etwas anderes als Mode, und meine Sachen gefallen bestenfalls über Jahre, und ich wollte einfach nicht mitmachen beim Thema Sommer-/Winterkollektion, denn das tut überhaupt nicht not. Vielleicht gibt es das als Bedürfnis bei Menschen, die aus der Modewelt kommen und sich dem Schmuck zuwenden. Aber ich komme aus dem klassischen Handwerk und fand das geradezu absurd.

WL: Trotzdem benutzt ihr als kreative Gewerke die gleichen Wörter: Ihr sprecht von Kollektionen und Serien. Als Laiin frage ich natürlich nach dem Unterschied. Machst du überhaupt eine Kollektion oder mehrere Kollektionen im Jahr oder wie entwickelst du den zeitlichen Ablauf deiner Serien?

FS: Ich würde das in meinem Fall etwas anders benennen: Alles zusammen ist meine Kollektion und die besteht aus mehreren Serien. Die Serien sind in der Regel beständig. Dass ich, wie jetzt, etwas rausnehme und durch etwas Neues ersetze, ist ein radikaler Schritt. Hin und wieder passiert das, wenn ich merke, dass etwas seine Zeit hatte. Dann gibt es etwas Neues. Aber ich mache mir damit keinen Druck und mache nur etwas Neues, wenn mir etwas einfällt.

WL: Und zu guter Letzt möchte ich dich noch fragen, ob du einen Vorschlag hast, wen ich als Nächstes für diese Gesprächsreihe hier in Mitte ansprechen sollte?

FS: Da würde ich Jana Hyner vorschlagen, die einen Keramikladen hier um die Ecke in der Bergstraße führt. Der Laden heißt Hyner und Jana zeigt dort besonderes Kunsthandwerk. Ein toller Laden.

WL: Vielen Dank für den Vorschlag und vor allem danke ich dir für deine Offenheit und Zeit.

FS: Ja, sehr gerne.

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