Anna-Lena Wenzel

Dr. Anna-Lena Wenzel* ist Autorin und Künstlerin. Nach ihrem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg promovierte sie über „Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst“. Sie betreibt das Online-Magazin 99 % Urban und den Radiosalon für Alltägliches und ist in unterschiedlichen kollektiven Zusammenhängen unterwegs.

Aus für die Bar Babette

01.06.2018
Die Bar Babette im DDR-Glaspavillon, Foto: Amelie Losier. Copyright: Maik Schierloh

Die Bar Babette im Glaspavillon in der Karl-Marx-Allee war ein lebendiger Kunstort - nun muss sie raus.

Der Glaswürfel-Pavillon, der heute als Bar Babette bekannt ist, wurde 1962 errichtet. Er war Teil des zweiten Bauabschnitts (1959–1969), der die Karl-Marx-Allee vom Straußberger Platz bis zum Alexanderplatz umfasste. Diese Bauphase war geprägt durch den Stil einer nachgeholten oder sozialistischen Moderne, die den prunkvollen Sozialistischen (von Moskau inspirierten) Neobarock ersetzte. Der sogenannte Zuckerbäckerstil wurde von schlichten acht- bis zehngeschossigen Plattenbauten abgelöst. Ergänzend entstanden mehrere Funktionsgebäude, wie das Restaurant Café Moskau und das Kino International nach Entwürfen von Josef Kaiser, Walter Franek und Horst Bauer. Ursprünglich sollten entlang des 700 Meter langen und 125 Meter breiten Bauabschnitts auch elf Verkaufspavillons errichtet werden, jedoch wurden nur fünf davon verwirklicht. In der DDR-Architektur-Zeitschrift Deutsche Architektur heißt es über diese Ladenbauten, sie würden sich durch den Gegensatz von „weitgehender architektonischer Gleichheit und dennoch unterschiedlicher, der jeweiligen Bestimmung entsprechender Eigenatmosphäre“ auszeichnen“. [1] Die Besonderheit dieser denkmalgeschützten Architektur ist auch heute noch spürbar. Der zur Straße hin voll verglaste Pavillon ist komplett einsehbar – und bildet scheinbar eine Fortsetzung des öffentlichen Raums. Die schlichte Inneneinrichtung inklusive Treppe in den oberen Stock unterteilt den Raum ohne ihm etwas von seiner Offenheit und Großzügigkeit zu nehmen.

Mit dem Einigungsvertrag 1990 wurden die Pavillons zunächst über die Treuhand abgewickelt und danach über die Nachfolgeorganisation der Treuhand, die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH (TLG) vermietet. Seit Oktober 2003 ist Maik Schierloh Mieter des ehemaligen Kosmetiksalons und hat aus ihm einen Kunst- und Kulturort gemacht: Durch ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm von Ausstellungen, Konzerten, Buchpräsentationen bis hin zu Preisverleihungen und Pressekonferenzen wurde aus der Bar Babette ein lebendiger und offener Ort, der für die Nachbarschaft da ist und in die Kunst- und Kulturszene hineinwirkt.

2008 verkaufte die TLG die zwei Pavillons, in denen sich die Bar Babette und das Café Moskau befinden, an die international agierende Berggruen Holdings GmbH– sie hatte sich gegen lokale Akteure wie Maik Schierloh, die Yorck-Kinogruppe oder die Betreiber des ehemaligen Clubs WMF durchgesetzt. Nun hat die Berggruen Holding Maik Schierlohs Mietvertrag nicht verlängert – im September droht das endgültige Aus. Die Bar Babette soll dann an die Betreiber des Café Moskau nebenan gehen – ein Café, das nur einem exklusiven Publikum offen steht und für geschlossene Veranstaltungen genutzt wird.

Ausstellungsansicht Command Control 2017, Foto: David Möller und Frederic Spreckelmeyer

Maik Schierloh, der die Bar Babette seit zehn Jahren alleine betreibt, ist ein umtriebiger und in der Kunstszene Berlins bestens vernetzter Künstler. Er ist entsetzt. „Das ist nicht richtig“, sagt er und meint damit nicht nur den Verlust des Treff- und Veranstaltungsortes und der 18 Mitarbeiterstellen, sondern vor allem die rein kommerziell ausgerichtete Immobilienpolitik wie sie die Berggruen Holding verfolgt.

Protest regt sich in Form einer Online Petition. Initiiert wurde sie von Leyla Erfani-Boujar, für die das Aus der Bar Babette symptomatisch ist für das stetige Verschwinden von kreativen, offenen Räumen, die einer Investorenarchitektur und -interessen weichen müssen. Sie fordert die Bar „als Symbol einer Stadt [zu sehen], die immer mehr in die Fänge von Geld gerät und damit ihren enormen Raum für Möglichkeiten einbüßt.“ [2] Weiter heißt es: „Die Bar Babette steht für einen der Orte, die das kulturelle und gesellschaftliche Bild einer Stadt ausmachen. Das Konzept der Karl-Marx-Allee war jahrzehntelang die Gestaltung einer belebten Straße, die für alle zugänglich ist.“ Doch bis jetzt ist nicht einmal die Hälfte der erforderlichen Stimmen von 11.000 zusammengekommen. Es sieht also wirklich düster aus für die Bar Babette.

Dabei gibt es seit 2015 Pläne, das historisch unvollendete Ensemble durch die Errichtung der fehlenden Pavillons zwischen Berolinastraße und Alexanderplatz zu ergänzen. Finanziert werden soll das Vorhaben durch das Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz. Mit dem Bund-Länder-Programm, das ein Fördervolumen von ca. 32 Millionen Euro bei einer Zahl von 55 baulichen und investiven Maßnahmen enthält, „sollen bau- und kulturhistorisch wertvolle Stadtbereiche mit denkmalwerter Bausubstanz erhalten und weiterentwickelt werden. Dies gilt auch für die Karl-Marx-Allee, II. Bauabschnitt als der Prototyp des sozialistischen Städtebaus.“ [3]

Die geplanten Pavillons sollen – wie die bisherigen auch – maximal zweigeschossig, durch eine transparente Architektur und klare Form geprägt sein, und nach dem Wunsch des Bezirks für öffentliche Nutzungen zur Verfügung gestellt werden. Verantwortlich ist das Bezirksamt Mitte und der Eigentümer der Flächen, die Wohnungsbaugesellschaft Berlin Mitte (WBM). Eine vorbereitende Studie zur Errichtung der Pavillons hat Thomas Flierl mit seinem Buch Pavillonbauten im nachkriegsmodernen Städtebau vorgelegt – das im April 2017 in der Bar Babette seine Buchpremiere feierte. Flierl möchte den „baukulturellen Wert dieses städtebaulichen Leitprojektes der ‚DDR-Moderne‘“ [4] stärker im öffentlichen Bewusstsein verankern und verknüpft mit den neuen Bauten ambitionierte Hoffnungen: sie könnten an „postmaterialistische Motive anknüpfen, die den öffentlichen Raum von allgegenwärtiger konsumistischer Überfrachtung entlasten und einem neuen Verständnis urbaner Lebensweisen Ausdruck geben.“[5]Laut WBM bergen die neuen Pavillonbauten das Potential „zu einem Ankerpunkt der starken Kreativ- und Start-Up-Szene Berlins zu werden. Kulturelle, aber auch gastronomische Einrichtungen würden das momentan überwiegend als Wohnquartier genutzte Quartier ideal ergänzen.“ [6]

Rauminstallation spacetime von s.h.e. 2016, Foto: Anne Gathmann

In diesen Aussagen zeigt sich einmal mehr eine Gleichzeitigkeit sich widersprechender Versprechen und Entwicklungen: gemeinwohlorientierte, kommunale Ziele, wie sie die WBM oder auch die Politik in Form des Förderprogramms betreibt, stoßen auf konsequent durchgezogene Investoreninteressen. Historische Fehler wie der Ausverkauf der geschichtsträchtigen Gebäude rächen sich an diesem Punkt, weil Handlungsspielräume und Einflussmöglichkeiten dadurch kleiner geworden sind. Im Fall der Bar Babette hilft es da erst einmal auch nicht, dass ihr die WBM gerne Unterschlupf in den neuen Pavillons gewähren würde, weil sie sieht, dass diese „maßgeblich zu Identifikation des Gebietes beiträgt“ [7], denn das ganze Verfahren wird sich noch bis 2020 hinziehen.

Die Folge ist, dass wir „auf ein Berlin zu[steuern], in dem kein Platz sein wird für Nischen oder kulturelle Angebote jenseits von Marktstrukturen oder Mainstream.“ [8] In zwei Veranstaltungen, die im Juni in der Bar Babette stattfinden, wird deshalb in die Zukunft geschaut mit dem ausdrücklichen Ziel „neue Ansätze zu finden und nicht etwa um alte Fehler oder Handlungsweisen aufzuzeigen.“ Eine Expertenrunde aus Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Kunst- und Musikschaffenden, Wirtschaftsleuten, Verwaltung und Jurist*innen kommt am 19. Juni zusammen, um Ideen, Handlungsstrategien und Spielräume zu finden, die diese Entwicklung auffangen könnten. Die Ergebnisse dieser geschlossenen Veranstaltung sollen dann auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion am 22. Juni um 19 Uhr in der Bar mit dem Titel: „Architektur, Kunst und Cashflow – neue Gestaltungsräume für urbane Kultur in Berlin“ diskutiert werden. Dazu sind Notker Schweikhardt, Mitglied im Abgeordnetenhaus von Berlin, Sprecher für Kultur- und Kreativwirtschaft, Bündnis 90/ Die Grünen, Christoph Knoche, ehem. Sprecher der Freien Szene Berlin, Katja Lucker, Musicboard Berlin und ein*e Vertreter*in der Immobilienwirtschaft eingeladen. Es bleibt zu hoffen, dass sich für die Bar Babette ab Oktober ein neuer Raum zum Gestalten finden wird.

[1] Deutsche Architektur, Juni 1965, zit. n. Pavillonbauten im nachkriegsmodernen Städtebau. Studie zur Vorbereitung der Errichtung von Pavillons in der westlichen Karl-Marx-Allee, herausgegeben von Thomas Flierl im Auftrag der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH, Berlin 2016, S. 165.

[2] https://www.openpetition.de/petition/online/die-babette-braucht-ein-happy-end%E2%80%8B

[3] http://www.kma-mitte.de/foerdergebiet/foerderprogramm.

[4] Thomas Flierl: Einleitung, in: Pavillonbauten im nachkriegsmodernen Städtebau. Studie zur Vorbereitung der Errichtung von Pavillons in der westlichen Karl-Marx-Allee, herausgegeben von Thomas Flierl im Auftrag der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH, Berlin 2016, S. 50.

[5] Ebd. S. 4.

[6] Christina Geib/ Jan Robert Kowalemski: Vorwort, in: ebd., S. 3.

[7] Aussage eines Mitarbeiters in einer E-Mail vom 16.5.2018.

[8] Aus dem Ankündigungstext der Veranstaltung.

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