Inmitten einer Stadt, die in ihrem historischen Zentrum über die Jahrhunderte gravierende Veränderungen verzeichnen musste, gilt der Baukörper der Ruine der Klosterkirche als herausragender Orientierungspunkt in der Berliner Stadtarchitektur. Kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges wurde die Klosteranlage durch Luftangriffe weitgehend beschädigt und zerstört. Die verbliebenen Gebäudereste des Klosters wurden bis in die 1960er-Jahre gesichert und später im Zuge der Erweiterung der Grunerstraße abgetragen. Ausschließlich die baulichen Überreste der Klosterkirche wurden von der DDR als Mahnmal gegen den 2. Weltkrieg erhalten und in den 1980er-Jahren im Rahmen der 750-Jahrfeier Berlins restauriert und somit vor dem schnellen Zerfall bewahrt.
Eine umfangreiche Sanierung der mittelalterlichen Gebäudesubstanz erfolgte in den Jahren 2002 bis 2004 aus Mitteln der Deutschen Klassenlotterie Berlin. Jetzt erhält die Ruine der Klosterkirche mit dem aktuellen Bebauungsplan, der im Bereich rund um das Klosterviertel und den Molkenmarkt an historische Grundrisse von Berlin anknüpfen will, wieder eine vielbeachtete stadträumliche Bedeutung. Die archäologische Sondierung der historischen Klosteranlage hat gut erhaltene Fundamente des Kreuzganges und Kapitelhauses an der Nordwand der Ruine entdeckt, die Berliner Stadtgeschichte eindrücklich machen.
Wie diese baulichen Überreste dauerhaft sichtbar gemacht und für öffentliches Publikum anschaulich vermittelt werden sollen, nimmt einen wichtigen Teil der Werkstattphase ein, die gegenwärtig als eine Art eine „Denkmalsakademie auf Zeit“ entwickelt wird. Mit der Ausstellungsreihe [statement & dialogue] werden in der Kirchenruine des mittelalterlichen Klosters ausgewählte, site-spezifische Arbeiten gezeigt, die sich mit den Mitteln der zeitgenössischen Kunst zu diesem einzigartigen Baudenkmal Berlins, dessen besonderer Architektur und Geschichte auseinandersetzen.
Ausstellungsreihe – Die Ruine der Klosterkirche
[statement & dialogue]
Der Luxemburger Künstler Luc Wolff hat in der Ruine der Klosterkirche eine raumgreifende Baustelle eingerichtet. Die in Berlin lebende Künstlerin Patrica Detmering zeigt eine Videoinstallation in den verbliebenen Innenräumen der Kirche und dehnt diese räumlich bis auf die andere Seite der Erdkugel aus.
Die Bildenden Künstler*innen Luc Wolff und Patricia Detmering machen auf Einladung des Fachbereichs Kunst und Kultur, kuratiert von Dr. Ute Müller-Tischler und Sebastian Häger, den Auftakt für eine Reihe von zetigenössichen Positionen in der Ruine der Franziskaner Klosterkirche. Die Ausstellungsreihe DIE RUINE DER KLOSTERKIRCHE [statement & dialogue] zeigt künstlerische Reflexionen über das Kulturdenkmal aus dem Mittelalter, dessen Geschichte und mögliche Rolle in nicht allzu ferner Zukunft.
Luc Wolff, 1954 in Luxemburg geboren, studierte in den 80er Jahren Landschaftsarchitektur und später Kunst in Berlin. In seinen temporär angelegten Arbeiten untersucht Wolff die Grenzen etablierter Lebensräume. Er geht auf vorgefundene Orte ein und verändert diese auf eine leise, unspektakuläre Weise, meist mit einfachen, alltäglichen Mitteln. Durch das subtile Markieren augenfälliger Raumgrenzen im Kontext funktionaler Architektur verweist Wolff auf das Ausgegrenzte. Vermeintlich isolierte, fest definierte Orte werden nicht mehr als solche wahrgenommen. Beispielhaft hierfür ist seine Arbeit „MAGAZZINO“, die 1997 als Luxemburger Biennale-Beitrag in Venedig zu sehen war. Wolff zeigt Orte im Wandel, Orte mit flexiblen, durchlässigen Grenzen, die Veränderung zulassen oder gar generieren. Er nennt sie „Baustellen“. Eine dieser Baustellen richtet Wolff in Form eines monumentalen Dekagons (Zehnecks) aus Baugerüstelementen in der Ruine der Klosterkirche ein. Seine Arbeit greift die Apsis der Kirche formal auf und spiegelt diese räumlich. Mit seiner Installation bezieht sich Wolff sowohl auf die baulichen Besonderheiten des Raumes als auch auf dessen historische Funktion als Gotteshaus. Die Ästhetik einer realen Baustelle an diesem abgeschiedenen, verwunschenen Ort verweist zudem auf die bevorstehenden Umbauprozesse in dem umliegenden Areal des Molkenmarktes und dem Nikolaiviertel.
Patricia Detmering, 1980 in Arnstadt/Thüringen geboren, lebt und arbeitet als Bildende Künstlerin in Berlin. Bis 2015 studierte sie an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, u. a. in der Klasse Kerbach. Detmering untersucht medienübergreifend Möglichkeiten der Irritation menschlicher Wahrnehmung. Ihren Arbeiten unterliegt die These, dass es keinen direkten Zugang zum Wesen der Dinge unserer sinnlich erfassbaren Umwelt gibt, sondern nur deren Erscheinungsform. Mit diesen Formen arbeitet Patricia Detmering, bricht sie auf, beleuchtet deren Kontexte und Konnotationen und spielt sie zurück zum Betrachter.Für die Ausstellung in der Ruine der Klosterkirche hat sie eine Videoinstallation entwickelt, die die Magie der verbliebenen, bisher nicht öffentlichen Innenräume der Kirche aufgreift und diese räumlich ausdehnt. In ihrer Arbeit „Antipod“ ist die Projektion des Himmels zu sehen, der sich von Berlin aus betrachtet auf der gegenüberliegenden Seite der Erde befindet. Im Gemäuer der Ruine der Klosterkirche simuliert Detmering hierfür ein Loch im Boden, mit dem Effekt, man würde einmal durch den kompletten Erdkern hindurch blicken. Begleitet wird ihre Arbeit durch ein Reisetagebuch dem man in den kommenden Wochen auf Instagram (www.instagram.com/patriciadetmering/) folgen kann.