„Elsewhere I Am You“ ist die erste Einzelausstellung des in Berlin lebenden österreichischen Künstlers, Choreografen und Autors Adam Man (alias Sandra Man). In der Galerie Wedding präsentiert der Künstler seine Videoarbeiten, die tief in der Performancekunst verwurzelt sind, neben seinen Gedichten, textbezogenen Arbeiten, in Kombination mit einem Begleitprogramm aus Performances, Workshops und Live-Aktionen.
Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten von Adam Man stützen sich auf seine langjährigen Forschungen zur Beziehung zwischen Körper und Landschaft. In seinen Video- und Performance-Arbeiten widmet sich der Künstler gemeinsam mit eingeladenen Performer*innen besonders isolierten, hybriden, „techno-natürlichen“ Landschaften: einem Wasserkraftwerk in den österreichischen Alpen, einer Wüstenlandschaft in Südspanien oder einem Bootsfriedhof in einem Hafen von Kopenhagen. In seiner künstlerischen Praxis sprengt Adam Man die Grenzen zwischen Mensch und Landschaft, zwischen bildender und darstellender Kunst, und als queerer Künstler stellt er auch die binäre Natur der Sprache in Frage, die wir verwenden, um die Welt um uns herum und uns selbst zu beschreiben.
Anlässlich dieser Ausstellung begibt sich Adam Man in die urbane Landschaft rund um die Galerie Wedding. Sowohl der Galerieraum als auch seine unmittelbare Umgebung, insbesondere der Rathausvorplatz, dienen als Inspiration für performative und literarische Arbeiten, die im Laufe der Ausstellung vor Ort entstehen werden.
„Elsewhere I Am You“ ist eine Fortsetzung des performativen Programms zur Bewegungsforschung, das die Galerie Wedding seit 2021 veranstaltet. Es entspringt einem tiefen Interesse für den Ort und die Umgebung, in der die Galerie Wedding als kommunale Kunstgalerie angesiedelt ist.
Maj Smoszna: Nach vielen Jahren, in denen du als Choreograf und Videokünstler hauptsächlich in Institutionen der darstellenden Künste wie der Tanzfabrik gearbeitet hast, ist das deine erste Einzelausstellung in einer Kunstgalerie. Es ist auch die erste Präsentation deiner Arbeit nach deiner Transition, die mit einer Änderung deines Erscheinungsbildes und Namens einhergeht. Kannst du uns sagen, welche Bedeutung diese Ausstellung zu diesem besonderen Zeitpunkt in deinem Leben und in deinem Werdegang als Künstler hat?
Adam Man: Es wäre wirklich interessant, über die Parallelität von künstlerischem Genre und Geschlecht nachzudenken. Was bedeutet es eigentlich, vom einen zum anderen zu wechseln, vom Performance-Raum zum Galerieraum, von einem Geschlecht zum anderen? Ist es tatsächlich eine solche Verschiebung? Wir betrachten es oft als einen Wechsel, weil wir so sehr an die Annahme gewöhnt sind, dass Dinge bestimmten Räumen und Menschen bestimmten Geschlechtern angehören.
Meiner Ansicht nach gibt es ständig Übergänge, es sind allerdings nur bestimmte Übergänge, die hervorgehoben werden oder offensichtlicher sind als andere. Bisher habe ich Performances auf Bühnen ausgestellt. Vielleicht performe ich jetzt eine Soloausstellung in einer Kunstgalerie?
MS: „Elsewhere I am you“ (dt. „Woanders bin ich du“). Was bedeutet das für dich?
AM: Ich lese den Titel wie eine Gedichtzeile. Wenn ich sie mir anhöre, dann höre ich darin etwas von einer absoluten Nähe: Ich bin du. Andererseits empfinde ich auch eine große Distanz, weil es „woanders“ ist. Die Fragen rund um Raum, Nähe und Distanz sind für mich von besonderer Bedeutung, weil diese Bezüge die ersten sind, auf die ich treffe und deren Erfahrung ich mache, wenn ich an einen Ort komme. Der Titel bietet die Möglichkeit, es offener, sogar als Frage zu formulieren. Auf wen bezieht sich dieses „Ich“, wer ist das „Du“ und welches „Woanders“ lässt die beiden aufeinandertreffen?
MS: Könntest du uns eine kurze Einführung in die Ausstellung geben?
AM: Wenn ich der Ausstellungsguide wäre, würde ich Folgendes sagen: Nimm den Raum als eine Landschaft oder einen Ort wahr, an dem du Zeit verbringen und Zeit an sich erleben kannst. Tritt ein und entdecke alle Winkel und Ecken der Galerie. Vielleicht fühlst du dich von einer Stelle mehr angezogen als von einer anderen. Geh dahin, wo es für dich Sinn macht. Und gib dem Raum Zeit, einen Bezug zu dir aufzubauen; nimm dir auch die Zeit, um dich auf ihn einzulassen. Du wirst verschiedene Medien vorfinden: Videos, Texte und andere Objekte. Alle dienen als eine Art Einstieg in dieselben Fragen.
MS: In deinen älteren Videos und Performances hast du viel mit Tänzer*innen und Performer*innen gearbeitet. In deinem jüngsten Werk „Paradise“ (2024/2025) performst du selbst. Kannst du uns mehr über diese Änderung berichten?
AM: Bei meinen letzten Arbeiten habe ich Performer*innen und Tänzer*innen dazu eingeladen, zusammen mit mir in besondere Landschaften zu gehen und auf diese Orte mit ihren Mitteln, d.h. mit Bewegung, zu reagieren, während ich, mit meinem Körper, die Landschaften über das Schreiben auf mich wirken ließ.
Bei „Paradise“ war klar, dass die Landschaft dieses Mal meine Bewegung braucht, damit ich einen Bezug zu ihr herstellen kann. Ich habe diesen Ort gleich am ersten Tag meiner Künstlerresidenz in Südspanien gefunden. Da war ein Hügel mit einigen toten Bäumen, und diese Bäume haben mich beeindruckt. Am selben Ort, am Fuß des Hügels, war eine Mulde. Für mich hatte der Ort von Anfang an etwas Zweideutiges.
Ich habe mich in diese Mulde gelegt und angefangen, mit den Bäumen zu arbeiten: ich wollte sie umstellen, wieder aufrichten. Ich denke, dass das, was mich hier besonders gereizt hat und was ich an diesem Ort spüren wollte, der Raum zwischen Leben und Tod war, die Vertikalität und Horizontalität, Erde und Himmel, Morgen und Abend, Stille und Aktion. Ich hatte das Bedürfnis, in einen Raum zwischen dem Hyper-Persönlichen – meinem Körper, meinem Namen, meiner Transition – und dem Hyper-Mythologischen – dem Titel der Arbeit, dem biblischen Bezug des Namens – einzutauchen. Was passiert, wenn etwas sehr Spezifisches mit etwas sehr Allgemeinen (für manche sogar Universellem) eine Beziehung aufnimmt, und wie beeinflussen sich beide gegenseitig?
MS: Für die Ausstellung in der Galerie Wedding hast du dich entschlossen, eine Performance mit dem Titel „Wo alle sind“ zu konzipieren, um deinen kreativen Prozess offenzulegen. Kannst du uns etwas darüber erzählen, woraus die Performance genau besteht und wie du dir deinen Kontakt mit dem Publikum im Raum vorstellst?
AM: Den ganzen ersten Monat der Ausstellung, bin ich jeden Tag von 15 bis 16 Uhr im Ausstellungsraum anwesend. Ich sitze auf einer Bank mit Blick auf den Rathausvorplatz und schreibe. Für mich ist die Ausstellung ein Ort bzw. eine Landschaft, und ich möchte mich diesem Ort mehr oder weniger auf die gleiche Weise nähern wie auch den anderen Orten, an denen ich gearbeitet habe.
In meiner künstlerischen Praxis mag ich selbst auferlegte Einschränkungen und Wiederholungen. Ich möchte Bezüge an die Oberfläche treten lassen, die man weder sehen noch spüren würde, würde man den Ort nur einmal besuchen. Ich weiß vorher nicht, welche Art von Bezügen in diesem Monat entstehen. Was den Ort „Galerie“ von den anderen Landschaften, mit denen ich oft arbeite, unterscheidet, ist die Tatsache, dass hier Menschen sind. Ich werde mit all meinen Gefühlen, Sehnsüchten und Ängsten dorthin gehen, und wahrscheinlich werden die Menschen, die dort vorbeikommen, ebenso ihre eigenen Gefühle, Sehnsüchte und Ängste mitbringen. Und dann schauen wir, was passiert. Dieses Aufeinandertreffen wird mit Sicherheit mein Schreiben beeinflussen und lenken.
MS: Du verwendest oft das „Wir“ in deinen Arbeiten, wie beispielsweise auch in deinem Gedicht „Wir“, das Teil der Ausstellung ist. Wie verstehst du dieses “ „Wir“?
AM: In vielen meiner Texte arbeite ich mit Pronomen. In diesem „Wir“-Gedicht gibt es auch ein „sie“ (engl. „they“, Anmerkung der Übersetzerin), in anderen Texten findet sich häufig das „Ich“ wie beispielsweise auch im Titel der Ausstellung. Mich interessiert, wie Pronomen poetisch verstanden werden können. Wie könnten sie anders klingen und wie könnten sie uns anders ansprechen, wenn wir sie in Gedichten lesen? Ich zitiere eher Pronomen, würde ich sagen. Und vielleicht verschiebe ich sie dabei in Richtung einer anderen Bedeutung, hin zu einer Art, wie wir sie normalerweise nicht verwenden würden. In allem, was ich tue, spiegelt sich mein Interesse an Bezügen wider. Pronomen sind Mittel oder sogar Kräfte des Selbst- und Fremdbezugs. In den letzten Jahren haben viele von uns gelernt, die Bezüge von Pronomen nicht als selbstverständlich anzusehen: die vermeintliche Universalität eines „Wir“ wird heute genauso in Frage gestellt wie die Identität eines „Er“- oder „Sie“-Pronomens. Wir diskutieren und streiten über Pronomen. Ich frage mich, was mit ihnen geschieht, wenn sie in Gedichten eingesetzt werden. Vielleicht offenbaren sie im poetischen Kontext ihre Instabilität und Beweglichkeit, ihre Weichheit und Plastizität. Vielleicht können sie uns anders berühren.
MS: Viele deiner Arbeiten beschäftigen sich mit dem Thema Ökologie und Landschaften, die durch menschliche Aktivität gefährdet sind. Eines dieser Werke können wir in der Ausstellung sehen: „Telos“ (2022). Kannst du uns mehr über dein Interesse für Landschaften und Ökologie erzählen und wie du uns Menschen und dich selbst als Teil davon siehst?
AM: Wie bei „Telos“ sind es oft die „hybriden“ Orte, die mich besonders interessieren. Sie sehen sehr „natürlich“ aus, weisen aber auch Spuren menschlicher Eingriffe auf. In dem Video ist eine Berglandschaft mit einem Wasserkraftwerk neben einem Skigebiet auf einem schmelzenden Gletscher in Österreich zu sehen, nicht weit von dort entfernt, wo ich aufgewachsen bin. Es ist ein verlassener Ort auf 2.500 Metern Höhe, der vor Millionen von Jahren ein Ozean war. Hier kommen viele Schichten zusammen: von geologischen Ablagerungen bis hin zur brutalistischen Architektur des Kraftwerks aus den 1960er Jahren. Es gibt einen künstlich angelegten Stausee, mit vielen Rohren und anderen Dingen, die man erst nach und nach entdeckt.
Man kann die „Konstruiertheit“ des Ortes regelrecht spüren, wenn man sich ihm nähert. Diese Konstruiertheit beeinflusste auch bestimmte Bewegungen, mit denen Assi Pakkanen, die Tänzerin, in deren Begleitung ich war, auf den Ort reagierte. Für mich ist „Landschaft“ der Ort, an dem wir selbst die Grenze zwischen Innen und Außen bilden. Wir schauen von außen auf die Landschaft, aber gleichzeitig sind wir auch Teil von ihr. Sie ist außerhalb von uns, und doch fühlen wir etwas in uns. In einer Landschaft sind wir gleichzeitig eingebettet und stehen doch davor. Mich interessiert dieser sich entfaltende Moment, in dem uns bewusst wird, dass wir „da“ sind. Wie können wir spüren, dass wir auf der Erde sind?
MS: Deine Werke bringen uns in einen meditativen Zustand, wie zum Beispiel in „The Tour“ (2024). Es passiert nicht viel, es gibt keine Handlung. Wir sind allein in einem verlassenen Boot, im Hier und Jetzt, und beobachten die Wolken und Spinnweben. Wie verstehst du die Wirkung deiner Arbeit auf andere? Was möchtest du den Besucher*innen der Ausstellung mit auf den Weg geben?
AM: Manchmal verstehen wir unter „Aktion“ nur das, was wir als Menschen tun. Ich versuche, den Blick ein wenig von uns, von den Menschen weg, auf das zu lenken, was schon da ist. In diesem Video sehen wir Spuren auf dem Boot, wir sehen die Umgebung des Bootes. Ich lade die Besucher*innen dazu ein, sich Zeit zu nehmen, zu sehen und zu fühlen und sich nicht zu sehr auf ihre Erwartungen auf eine bevorstehende „Aktion“ zu versteifen. Und dann werden vielleicht Dinge erscheinen, die man nicht bemerken würde, wenn viel passieren würde. Das kann eine Empfindung sein, oder ein Gefühl, oder ein Eindruck von Gegenwärtigkeit. Durch meinen Körper und durch meine Präsenz irgendwo, aber auch durch eure Präsenz als Besucher*in der Ausstellung.