Anna-Lena Wenzel

Dr. Anna-Lena Wenzel* ist Autorin und Künstlerin. Nach ihrem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg promovierte sie über „Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst“. Sie betreibt das Online-Magazin 99 % Urban und den Radiosalon für Alltägliches und ist in unterschiedlichen kollektiven Zusammenhängen unterwegs.

Zu Besuch in der Bildhauerwerkstatt

22.03.2018
Blick von der Panke auf die Bildhauerwerkstatt, Foto: Bildhauerwerkstatt des bbk

„Unsere Aufgabe ist es die Künstler zu versorgen, mit technischem Knowhow, aber auch mit einer gewissen Menschlichkeit.“ Zu Besuch in der Bildhauerwerkstatt des BBK in der Osloer Straße

Montagmittag: reges Treiben in der Bildhauerwerkstatt im Kulturwerk des BBK Berlin im Wedding. Nicht nur, weil es jetzt Mittagessen gibt, zu dem alle hier arbeitenden Künstler*innen eingeladen sind, sondern auch, weil viele der Arbeitsplätze belegt sind. Es herrscht eine konzentrierte Atmosphäre, die immer wieder von kreischenden Sägen, lautem Hämmern und Bohrgeräuschen unterbrochen wird.

Auf 3.600 qm verteilen sich rund 20 bis 25 Arbeitsplätze auf die verschiedenen Werkstätten für Metall, Stein, Holz, Keramik sowie Gips und Kunststoff. Es gibt Geräte und Werkzeuge, die sich die wenigsten Künstler*innen privat anschaffen könnten, wie ein 3-D Laser-Scanner System, Krananlagen für besonders schwere Materialien und Brennöfen, die in ihrer Größe einmalig in Berlin sind. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist der abgetrennte Platz, den die Künstler*innen für die Dauer ihres Vorhabens nutzen können. In den meisten Fällen kommen sie mit konkreten Vorhaben, aber manchmal führt die Größe der Räume dazu, dass sich die Dimensionen ihrer Arbeiten verändern.

Arbeitsplatz Dorothea Nold, Foto: Bildhauerwerkstatt des bbk
Bild: Arbeitsplatz Dorothea Nold, Foto: Bildhauerwerkstatt des bbk

Eine der Künstlerinnen ist Stef Heidhues. Sie ist zum wiederholten Male hier und nutzt die Metallwerkstatt, um Objekte für ihre nächste Ausstellung zu verwirklichen. Sie sagt: „Die Möglichkeit einen Platz in der Werkstatt zu mieten und hier selbständig, aber wenn nötig mit Unterstützung und Beratung durch die Werkstattleiter zu arbeiten, empfinde ich als total optimal. Vorbereitet muss man hier allerdings schon sein, also wissen, was man machen will.“ Neben der guten Ausstattung schätzt sie die besondere Atmosphäre des Orts, den Austausch und das gemeinsame Mittagessen. Das ist Programm. Der Leiter der Bildhauerwerkstatt, Jan Maruhn formuliert es so: „Unsere großen Räume bieten nicht nur optimale Möglichkeiten für die künstlerische Arbeit, die Bildhauerwerkstatt ist auch ein sozialer Ort; hier kann man sich kennenlernen, gemeinsame Projekte entwickeln und Höhepunkt des Tages ist das gemeinsame Mittagessen.“

Die Idee aus der ehemaligen Arnheimschen Tresorfabrik Werkstätten für Künstler*innen zu entwickeln und sie gemeinschaftlich zu nutzen, kam von Künstler*innen selbst. 1985 wurde das Gebäude mit Senatsmitteln ausgebaut und vom Berufsverband Bildender Künstler Berlin (bbk berlin) in Zusammenarbeit mit Künstler*innen konzipiert; letztes Jahr feierte die Werkstatt ihr 30-jähriges Jubiläum mit einer Party, so wie es sich gehört, bemerkt Maruhn. Über die Anfangszeit und das eigene Selbstverständnis sagt er: „Wir sind gegründet worden als eine Institution, die strukturell Künstler*innen bei ihrer Arbeit unterstützt. Das ist, war und wird das sein, was uns auszeichnet. Das ist einmalig in der Welt, vor allem weil die Werkstatt vom Land Berlin unterstützt wird. Wir sind offen für Künstler*innen aus aller Welt, die in Berlin arbeiten, ob sie hier ansässig sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle.“ Genauso wenig wie es eine Rolle spielt, ob man ein berühmter Künstler ist oder nicht. Hier wird jeder gleichbehandelt und ist künstlerisch vollkommen frei.

Von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr sind die Werkstätten geöffnet. Wenn man ein künstlerisches Vorhaben hat, kann man sich einen Arbeitsplatz mieten – tage- oder wochenweise, muss aber mit etwas Wartezeit rechnen, denn die Nachfrage ist seit zehn Jahren extrem gestiegen. Was auch daran liegt, dass die Preise sehr niedrig sind und sich seit dreißig Jahren nicht geändert haben.

Es gibt für jede Werkstatt eine*n Leiter*in, der*die Künstler*innen bei der Verwirklichung ihrer Projekte unterstützt. Die Künstlerin Edith Kollath, die die Steinwerkstatt nutzt, weiß diese Expertise durch den Werkstattleiter zu schätzen: „Wenn sie ein ernsthaftes Anliegen sehen, sind sie hilfreich, unterstützend und beratend, aber man muss erst ihr Vertrauen gewinnen.“

Interessant ist es für Künstler*innen auch, weil sie materialübergreifend arbeiten können. Sie können sich in jedwede Richtung orientieren. Friederike Rosch, die Assistentin des Leiters, ist begeistert: „Es ist Wahnsinn, was hier entstehen kann.“

In den nächsten Jahren wird ein Generationswechsel stattfinden, denn viele der Mitarbeiter*innen arbeiten hier schon seit dreißig Jahren. Maruhn schaut dem Wechsel gelassen und neugierig entgegen. Rosch arbeitet erst seit einem Jahr und verkörpert damit den Generationswechsel. Sie äußert die Hoffnung, dass sie wieder so engagierte Mitarbeiter*innen finden, die mit all ihrem Wissen die Künstler*innen bei ihrer Arbeit unterstützen – genauso wie die jetzigen Werkstattleiter*innen, die unglaublich viel Zeit investiert haben, die Werkstatt zu dem zu machen, was sie ist.

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