Auf der Seite von Kultur-Mitte befindet sich eine Karte, auf der die diversen Kulturinstitutionen in Mitte mit grauen Stecknadeln markiert sind. Klickt man auf diese Stecknadeln, öffnet sich ein Fenster mit Basisinformationen zu diesen Kulturorten. Die Karte hat den Vorteil, dass sie übersichtlich und spezifisch zugleich ist. Genau diese Funktion von digitalen Karten hat mich dazu gebracht, eine Auswahl mehrerer Karten zusammenzustellen, die sich spezifischen historischen oder örtlichen Phänomenen widmen und dadurch den Blick auf den Stadtteil Mitte zugleich erweitern und fokussieren. Die Themen reichen von Revolutionsorten und besetzten Häuser über Fahnenmasten und Murals bis zu einem Verzeichnis von Vogelhäusern.
Revolutionsorte
Fangen wir mit den historischen Karten an: Die von der Robert-Havemann-Gesellschaft betriebene Internetseite www.revolution89.de dokumentiert und erweitert die Open-Air Ausstellung in der Stasi-Zentrale in Lichtenberg. Neben vertiefenden Informationen gibt es neben der Rubrik Gesichter auch eine Karte zu den Revolutionsorten von 1989. „In der Karte werden Orte im Osten wie im Westen der ehemals geteilten Stadt vorgestellt, an denen wichtige Ereignisse der Revolution stattfanden.“ An 18 Schauplätzen vom Alexanderplatz über das Haus der Demokratie bis zur Zionskirche erinnern Informationsstelen der Robert-Havemann-Gesellschaft an die Ereignisse zwischen Sommer 1989 und Dezember 1990. Diese Stelen sind auf der Online Karte markiert, wenn man sie anklickt erscheinen sachliche wie informative Texte ergänzt um Materialien wie Fotos und ein eigenes Fenster mit Informationen zum „Kontext“.
Hausbesetzungen
Einem anderen historischen Kapitel bzw. einen anderen Praxis widmet sich die Internetseite Berlin-Besetzt.de. Die illustrierte Karte „zeigt die Geschichte von Haus- und Platzbesetzungen in Berlin als Beispiel für selbstermächtigte Eingriffe von Protestbewegungen in den Stadtraum und das Stadtleben.“ Und weiter: „Mit dem interaktiven Online-Stadtplan und digitalem Archiv wollen wir kollektive und selbstverwaltete Räume in der Stadt sichtbar machen. Das Projekt soll den Berliner Stadtraum als Ergebnis von Aneignungskämpfen zeigen, an denen Hausbesetzungen einen (nicht zu unterschätzenden) Anteil haben.“ Zu diesem Zweck sind nicht nur Häuser und Wagenburgen, sondern auch wichtige Demonstrationen oder Krawalle verzeichnet.
Die Karte ist nicht nur dicht gefüllt und übersichtlich gestaltet, sondern auch sorgfältig aufgearbeitet und mit vielen zusätzlichen Materialien wie Fotos oder Flugblätter ergänzt. Das hat auch damit zu tun, dass es sich bei der Karte um ein Projekt verschiedener Akteur*innen handelt, zu denen neben dem Pappsatt Medienkollektiv, reclaimyourcity.net und Eike Send mit dem Papiertiger-Archiv und dem Umbruch-Foto-Archiv auch zwei Archive zählen. Das Besondere ist die Timeline – also die Möglichkeit mithilfe eines Zeitstrahls die historischen Veränderungen nachzuvollziehen. Um die historische Dimension zu unterstreichen, sind die eingezeichneten Symbole zudem farblich markiert, so kann man verfolgen, wann die Hochzeit der Hausbesetzungen war und wie sich diese seit 1970 verlagert haben.
Vogelhäuser
Eine andere Art von Häusern versammelt die Morgenvogel-Map von Manuel Bonik und Maria-Leena Räihälä. Auf ihr sind Vogelhäuser vermerkt, die die Künstler*innen im Rahmen ihres Projektes Morgenvogel Real Estate in ganz Deutschland aufgehängt haben, wobei ein Schwerpunkt in Berlin-Mitte liegt. Die durchnummerierten Vogelhäuser sind in eine Google My Maps Karte eingebettet, wenn man sie anklickt, erscheinen ein Foto und eine kurze Beschreibung zu der Person oder Institution, die das Vogelhaus finanziert hat.
Fahnenmasten
Ähnlich (weil ebenfalls auf Google My Maps basierend) funktioniert die Karte 25 years of solitude des Künstlers Christof Zwiener, der im Berliner Stadtraum DDR-Fahnenmasten markiert hat. Das hat zur Folge, dass sich vor allem im Ostteil der Stadt und nur den Stadtteilen von Mitte, die zur DDR gehörten, schwarze Punkte auf der Karte befinden. Klickt man diese an, erscheint auf der linken Seite ein Foto der Fahnenstange(n) und der Bereich, der diesem Ort zugeordnet ist. Der Künstler hat sich von 2011 bis 2015 intensiv mit den Fahnenmasten beschäftigt, hat sie aufgesucht und fotografiert. Für ihn zeugen die Fahnenmasten von einem anderen Land. Doch während es „damals ihre Aufgabe [war], identitätsstiftend zu sein und die politischen Aussagen durch symbolträchtige Flaggen eines Arbeiter- und Bauernstaates zu unterstützen, so haben sie heute keine Funktion mehr“, wie Nadine Ethner in einem Text über die Arbeit ausführt.[1] In den dreißig Jahren nach dem Fall der Mauer sind die Fahnenmasten ihrer Funktion beraubt und zusehends aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Mit seinem ca. 300 Bilder umfassenden Archiv arbeitet Christof Zwiener diesem Verschwinden entgegen.
Murals
Einen wieder anderen Fokus bietet die Streetart-Map Berlin, sie ist zudem die einzige Karte, die umsonst ist, aber in einen kommerziellen Rahmen eingebunden ist. Auf der Seite des DefShop – einem der „größten Onlineshops Europas für Urban- und Streetwear sowie Hip Hop Kleidung“, der zudem „angesagte Skate- und Fashion-Highlights anbietet“ – befindet sich die Streetart-Map Berlin. Auf ihr sind 46 Murals – also Wandbilder– verzeichnet. Das Motto: „Auch Berlins Straßen selbst sind Kunst: Streetart-Künstler aus der ganzen Welt, aber auch lokale Größen der Szene haben sich Berlins Hauswände zur Leinwand gemacht und mit überlebensgroßen Kunstwerken die Stadt verschönert.“
Scrollt man über die Karte scrollt, erscheinen die Titel der Murals. Wenn man diese anklickt, öffnet sich ein extra Feld mit dem Namen des Künstlers, weiteren Informationen zu dessen Arbeitsweise sowie die genauen Adresse. Das Besondere dieser Karte ist, dass ihr Hintergrund aus dem S- und U-Bahn Netz von Berlin besteht. Daher wundert es nicht, dass bei den Murals auch immer die Verkehrsanbindungen mit angegeben sind.
[1] Nadine Ethner über Christof Zwiener auf VTph, 11/2018, http://www.vt-ph.com/christof-zwiener