Anna-Lena Wenzel

Dr. Anna-Lena Wenzel* ist Autorin und Künstlerin. Nach ihrem Studium der Angewandten Kulturwissenschaften in Lüneburg promovierte sie über „Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst“. Sie betreibt das Online-Magazin 99 % Urban und den Radiosalon für Alltägliches und ist in unterschiedlichen kollektiven Zusammenhängen unterwegs.

Kompaktes Mehrzweck-Schmuckstück

13.09.2023
Foto: Anna-Lena Wenzel

Kein anderer Park in Berlin-Mitte hat auf komprimierte Weise so viel zu bieten wie der Monbijou-Park. Er punktet mit vielfältigen kulturellen und sportlichen Angeboten – es gibt ein Kinderschwimmbad, diverse Sportanlagen, ein Freilufttheater, eine offene Tanzbühne und das sympathischste öffentliche Klo in Berlin –, einem Spree-Zugang und einer bewegten Vergangenheit als Garten, Schlosssitz und Museum. Müsste man eine Werbeannonce schalten, würde der Park sicher als Luxus-Immobilie durchgehen mit einer hochwertigen und breitgefächerten Angebotspalette, kreativen Nutzungsmöglichkeiten und langer, aristokratischer Geschichte. Gut, dass er eine öffentliche Parkanlage für jedermann und -frau ist.

„‘Monbijou‘ heißt aus dem Französischen übersetzt: ‚mein Schmuckstück‘. Das knapp fünf Hektar große Anwesen nah der Spree galt einmal als das schönste in ganz Berlin“, so beginnt die Beschreibung des Parks auf der Internetseitevisitberlin. Fortgefahren wird mit der Geschichte des Parks als Schlosssitz: „Es war ein entzückendes kleines Schloss, in dem die preußische Königin lebte, umgeben von einem Garten voller kunstvoll geschnittener Hecken, Orangenbäumen, Fontänen und Skulpturen. Mit ihrem Tod war der Traum vorbei. Friedrich II., ließ das Schloss zum Andenken an seine Mutter für Jahrzehnte versiegeln. Unter Friedrich Wilhelm II. war Monbijou noch einmal eine Sommerresidenz, seit 1877 diente es den Hohenzollern als Museum. Im Zweiten Weltkrieg ging das Anwesen im Bombenhagel unter. An seine Stelle trat seit den 1960er Jahren eine Grünanlage mit Kinder-Freibad, Brunnen, Sportanlagen, Rabatten und einer Uferpromenade.“ [1]

Ausführlicher (und etwas sachlicher) wird die Geschichte des Parks auf einer Informationstafel beschrieben, die sich am nördlichen Eingang zur Oranienburger Straße befindet, darin wird deutlich, dass der Park schon sehr viel früher öffentlich genutzt wurde, sowohl der Unterhaltung als auch der sportlichen Betätigung diente und die Nutzung der Museumsinsel als Museumsstandort vorwegnahm: „Nach dem Tod der Königin Friederike stand der Garten allen Besuchern offen. An den Parkrändern entstand umfangreiche Wohnbebauung, vornehmlich für Hofbeamte. Im Park erfolgte […] ab 1854 die Errichtung des Domkandidatenstifts mit großer Ziegelfassade. In die Südostecke des Parks an der Überfahrtsgasse wurde eine Halle für Ballspiele gebaut, das Spiel- oder Ballhaus. Im Schloss wurden 1815 Kunstsammlungen untergebracht. 1816 kamen die ersten in Paris gefertigten Gipsabgüsse nach Antiken hierher und die ägyptischen Altertümer des Herrn von Minutoll, der Grundstock des Ägyptischen Museums. Am 22.3.1877, dem 80. Geburtstag Kaiser Wilhelm I., wurde hier das Hohenzollernmuseum eröffnet. […] Die Kriegsereignisse in den Jahren 1943-1945 führten zur Teilzerstörung des Schlosses und des Domkanalstiftes. Die Wohnhäuser entlang der Oranienburger Straße, die anglikanische Kirche, die Torbauten und der größte Teil des Baumbestandes wurden weitgehend zerstört.“ 

Während die Tafel hier aufhört und auf wikipedia lediglich davon die Rede ist, dass das Schloss auf Beschluss des SED-Magistrats 1959 abgerissen und an seiner Stelle der Monbijoupark angelegt wurde [2], findet sich eine ausführliche Darstellung der Umgestaltung des Parks zu DDR-Zeiten in einem Gutachten von Simone Hain: „1958 war auf bezirklichen Druck und bauaufsichtliche Veranlassung hin auch der Parkneubau im Rahmen des ‚nationalen Aufbauwerkes‘ in Angriff genommen worden. Das Projekt hieß jetzt ‚Volkspark Monbijou‘. Das Kinderbad wurde nach den Vorstellungen und unter Mitwirkung der Anwohner gebaut und die Mehrzahl der Bäume wurde gepflanzt. 1973 wurde der Volkspark zum ‚Freizeit- und Erholungszentrum‘ mit neuen Kleinsportanlagen, Spielflächen, einer Schießanlage und einer Parkgaststätte mit Turnsaal.“ [3]

Aus diesem Text geht hervor, wie stark sich das Gelände über die Jahrhunderte veränderte und immer wieder neu bebaut wurde. Viele dieser Einrichtungen sind heute verschwunden, wie das von Studierenden der Weißensee Kunsthochschule als Produktionsstätte und als temporärer Ausstellungsraum genutzte Atelierhaus, das 2011 abgerissen wurde, nachdem es für das temporäre Format based in berlin als Ausstellungs- und Veranstaltungsort diente. Eine letzte Umgestaltung wurde 2006-2008 vom Landschaftsarchitektenbüro Lützow 7 vorgenommen. Heute gibt es neben der als Tanzbühne genutzten Uferpromenade ein Schwimmbad, einen Kinderspielplatz, Volleyball- und Basketballplätze (inklusive wöchentlichen „Born to Ball-Tournaments“) auch einen Freeletics Training Ground [4]. Vor allem aber gibt es das Monbijou-Theater inklusive Märchenhütte und Gastronomie, das mit seiner improvisierten Ästhetik ein bisschen aus der Zeit gefallen wirkt. Tatsächlich handelt es sich dabei um Hütten, die aus Polen ihren Weg auf das Bunkerdach fanden. [5] Interessantes Detail: Aufgebaut wurden die Hütten und das Theater auf einem ehemaligen Luftschutzbunker, der ca. 1939/40 für das Haupttelegrafenamt in der Monbijou-/ Oranienburger Straße gebaut wurde. [6] 
Das Monbijou-Theater nutzt ihn seit 1998 in den Sommermonaten als Basis für ihr hölzernes Amphitheater, das auch einen Getränkeausschank und eine Pizzeria umfasst. Das freie Ensemble des Theaters, das sich 1994 als „Hexenkessel Hoftheater“ gründete, ist für seine Volkstheaterinszenierungen mit Improvisationselementen bekannt.[7] Das Motto dieser Sommersaison lautet Italien und so gibt es Aufführungen wie VolponeMirandolina oder Ma!Dea!, die häufig komödiantisch angelegt sind und deren festen Bestandteil die Einbeziehung des Publikums ist. 

Doch die Sonderregelungen, mit der der Theaterbetrieb im Park erlaubt wurde, fanden 2020 ein Ende als der Bezirk Mitte dem Theater die Genehmigung für den saisonalen Spielbetrieb entzog und dem Theater drohte, es müsse seine Theaterbauten abreißen. Dank eines runden Tisches und einer Umstrukturierung der Theaterleitung, die seit 2021 unter dem Vereinsnamen ZweiDrittel Musiktheater e.V. organisiert ist, konnte allerdings ein Kompromiss gefunden, und der Theaterbetrieb im Sommer und Winter 2021 wieder aufgenommen werden. So wird nach der letzten Aufführung Ende September ab November das Programm in der Märchenhütte fortgesetzt.

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Ma!Dea!-Aufführung, Foto:  ZweiDrittel e.V.
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[1] https://www.visitberlin.de/de/monbijoupark, aufgerufen am 24.8.2023.
[2]Vgl. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schloss_Monbijou&oldid=236538937, aufgerufen am 24.8.2023.
[3] Gutachten zur Bau- und Planungsgeschichte des Volkspark Monbijou 1949 – 1989 von Dr. Simone Hain, zit. nach: http://www.basedinberlin.de/de/ort/, aufgerufen am 31.8.2023.[4] Auf einem Infoschild heißt es: „Freelectics hat diesen Trainingsplatz entwickelt, um dir zu helfen, zur besten Version deiner selbst zu werden. Hier findest du die perfekte Ausstattung für deine workouts. Jetzt geht es nur noch um deine Motivation und Willensstärke. Nimm die Herausforderung an und leg los. Überschreite deiner Grenzen und sei Teil der Community von Free Athlets – genau hier, genau jetzt.“
[5] Vgl. https://www.maerchenhuette.de/das-theater/
[6] Der Bunker wurde im Krieg u.a. von der Frauenklinik der Charité genutzt und geriet dann in Vergessenheit. Vgl. https://dieter-kloessing.com/berlin-mitte-monbijoubruecke-und-park.html
[7] Vgl. https://www.berlin-buehnen.de/de/buehnen/monbijou-theater/

Vorstellungen im Monbijou-Theater gibt es bis Ende September, am 9. Oktober endet die Saison mit dem Match von Theatersport Berlin in der Märchenhütte.

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