Maike Brülls

Maike Brülls arbeitet als Journalistin in Berlin. Sie hat Kulturjournalismus studiert. Ihre Texte sind unter anderem in der taz, bei VICE, ZEIT Online, DUMMY und MISSY erschienen. Außerdem arbeitet sie an Videos für verschiedene Formate des funk-Netzwerks.

Reihe Kunst im öffentlichen Raum: Der die Kunst pflegt

17.12.2019
Alexander Kluge vor dem Friedrich-Adolph-Diesterweg-Denkmal. Foto: Maike Brülls
Alexander Kluge vor dem Friedrich-Adolph-Diesterweg-Denkmal. Foto: Maike Brülls

In Berlin Mitte finden sich viele Denkmäler und Brunnen. Doch wer pflegt die eigentlich? Ein Rundgang mit Alexander Kluge vom Straßen- und Grünflächenamt

Um den Neptunbrunnen am Alexanderplatz hat jemand eine Eislaufbahn gebaut und um diese Eislaufbahn wiederum einen Weihnachtsmarkt. Es ist Ende November, der erste Advent nahe. “Für uns ist es eigentlich ganz gut, dass die Eislaufbahn um den Brunnen ist”, sagt ein Mann mit gesteppter Winterjacke und kleiner Umhängetasche. “Dann klettern weniger Betrunkene oder Kinder auf die Figuren.”

Alexander Kluge heißt dieser Mann. Er weiß, wovon er redet. Denn er arbeitet beim Straßen- und Grünflächenamt vom Bezirksamt Mitte. Dort ist er als Bauleiter für Straßenbaumaßnahmen und für die Pflege von Denkmälern und Brunnen zuständig. 210 Denkmäler und 37 Brunnen besitzt der Bezirk. Um sie alle kümmert sich Kluge – also um fast alles, was künstlerisch auf der Straße steht.

Kunst im öffentlichen Raum ist ein viel genutzter Terminus. Gerade in Städten wie Berlin gibt es viel davon. Sie prägt nicht nur das Stadtbild, gibt ihr ein künstlerisches Gesicht, macht sie zu einem eintrittsfreien Open-Air-Museum. Sondern sie dient auch dazu, Erinnerung aufrecht zu erhalten und Wissen zu vermitteln. Doch was heißt es, all diese Denkmäler, Stelen und Statuen zu pflegen? Um das herauszufinden, hat Alexander Kluge mich zu einem kleinen Rundgang durch Berlin Mitte eingeladen.

Eine Eislaufbahn um den Neptunbrunnen
Versteckt zwischen einem Riesenrad und einer Eislaufbahn: der Neptunbrunnen am Alexanderplatz, Foto: Maike Brülls

Kluge muss laut reden, um gegen die Musik im Hintergrund anzukommen. “Bitter Sweet Symphony” läuft gerade. Er deutet auf die Figuren. Viele sind weiß angelaufen, von der grünlichen Bronze ist kaum noch etwas zu sehen. Die Bronze ist oxidiert. Der Brunnen müsste eigentlich restauriert werden, erklärt Alexander Kluge. Aber da noch nicht klar ist, ob er hier am Alexanderplatz stehen bleibt oder an seinen ursprünglichen Standort vor dem Stadtschloss versetzt wird, wartet er noch damit, den Auftrag zu vergeben.

Nicht nur für Arbeiten wie diese erteilt Kluge Aufträge. Eine Firma überprüft regelmäßig, ob das Wasser in den Brunnen noch läuft und behebt Schäden. Andere Firmen entfernen Oxidationen und Schmutz von den Figuren. Und weitere Firmen sind darauf spezialisiert, Farbe von verschiedenen Materialien zu lösen.

Wenn Bewohner*innen eine Veränderung an den Kunstwerken auffällt und das melden, landet die Nachricht bei Alexander Kluge. Das passiere regelmäßig, erzählt er. Die Bürger*innen seien aufmerksam, auch kleinere Beschmierungen melden sie. Er selbst fährt auch oft los, um die Objekte zu inspizieren. Einmal im Jahr überprüft er auch die, die in äußeren Bereichen wie etwa dem Volkspark Rehberge stehen. Die zentraleren besucht er deutlich öfter.

Die Sache mit der Farbe

Denn hier, wo viele Menschen vorbeikommen, hat er viel zu tun. Vor allem mit Farb-Schmierereien. Menschen kritzeln mit Filzstift ihre Initialen auf den Brunnen, schmieren ihre Parolen auf Mauern oder werfen Farbbomben auf Statuen. Manchmal werden sie dafür auch kreativ. Vor zwei Jahren hat Kluge eine Beschmierung gefunden, bei der offenbar jemand Weihnachtsbaumkugeln mit Farbe gefüllt und dann an das Denkmal von Bismarck am Großen Stern geworfen hat. Zumindest deutet Kluge das so aus den Fundstücken vom Tatort: Die zerbrochenen Scherben und die Aufhänge-Bügelchen lagen dort am Boden. 60.000 Euro hat die Reinigung gekostet.

“Farbe ist immer ein bisschen tricky”, sagt Kluge. “Denn wir müssen herausfinden, was für eine das ist. Und dann das richtige Lösungsmittel finden.” Wie gut die Farben sich wieder entfernen lassen, liegt nicht nur an dem passenden Mittel. Sondern auch am Untergrund. Glatte und feine Flächen wie gewachste Bronze lassen sich leichter reinigen als grobe, poröse Flächen wie Sandstein.

Wir gehen weiter zum Marx-Engels-Forum in der Karl-Liebknecht-Straße. Vor den imposanten, von Margret Middell gefertigten Bronzereliefs der beiden Männer stehen hohe Stelen aus Edelstahl, in die Fotos eingelasert sind. Die Aufnahmen stammen von Peter Voigt, die Stelen hat Arno Fischer gefertigt. Einige der Fotos sind zerkratzt, etwa das Gesicht von Rosa Luxemburg.

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Zerkratzt und beschmiert: Rosa Luxemburg

“Diese Fotos hier zu ersetzen war ziemlich aufwendig”, seufzt Kluge. Denn Peter Voigt ist 2015 verstorben und die Fotos lagen Kluge nicht vor. Er musste also recherchieren, wer den Nachlass Voigts verwaltet. Seine Kollegin fand heraus, dass die Fotos im Bertholt-Brecht-Haus aufbewahrt werden. Das händigte sie ihm aus. Kluge kann die Fotos, wenn sie arg zerstört sind, also ersetzen – doch das Verfahren ist aufwendig und kostspielig.

Beschädigungen, die wie diese hier offenbar politisch motiviert sind, gibt es häufiger. Hakenkreuze, Parolen oder Drohungen findet Kluge an Objekten. Aber nicht so oft, wie man denken würde – Kritzeleien von Namen seien häufiger. “Mir wäre auch nicht aufgefallen, dass in den letzten Jahren mehr politische Beschmierungen oder Zerstörungen gab”, sagt er.

Einige hundert Meter weiter am Schinkelplatz stehen Statuen, die neuer kaum aussehen könnten. Sie glänzen schwarz, sind weder weiß noch grün angelaufen. Sie wurden in diesem Jahr erst restauriert. Das heißt: Vorsichtig entfernen die Restaurateur*innen mit einem kleinen Skalpell den Dreck. Dann werden die Figuren gewachst. Die zähe Masse wird warm auf die Figuren aufgetragen und mit einem kleinen Pinsel festgetupft. Das Ziel ist, dass die Oberfläche glatt aussieht und die originale Form erhalten bleibt. Alle vier bis fünf Jahre lässt Alexander Kluge jedes Objekt restaurieren. 130.000 Euro kosten der Unterhalt der Denkmäler und die Entfernung der Graffitis an Brunnen jährlich.

Seinen Job macht Alexander Kluge seit Februar 2015. “Man kriegt einen neuen Blick, auch für die Kunst in anderen Städten”, sagt er. “Manchmal, wenn ich in anderen Städten bin und die Denkmäler da sehe, denke ich ‘Na, das müsste aber auch mal wieder restauriert werden.’”

Diebische Kunst-Fans

Wir erreichen das Friedrich-Adolph-Diesterweg-Denkmal. Da der Pädagoge seinerzeit das Schulwesen reformierte, zeigt die Statue Kinder an einem Schreibtisch, auf dem unter anderem ein Winkelmesser, ein Vogel und eine Vase stehen. Vor einigen Jahren war die Vase einmal verschwunden – sie ist geklaut worden. Auch das passiert häufig. Gerade jene Kunstwerke, die aus wertvollen Materialien wie Kupfer oder Bronze gefertigt sind, werden entwendet.

Auch dann muss Kluge tüfteln um die Teile zu ersetzen. Leben die Künstler*innen noch, können sie selbst dabei helfen. Sind die Objekte schon alt und Skizzen davon nicht vorhanden, bilden die Restraurator*innen die fehlenden Teile anhand von Fotos nach. Bei der verschwundenen Vase vermutet Kluge, dass ein Kunst-Fan sie geklaut hat.

Ist er selbst das denn auch, Kunst-Fan? Kluge ist studierter Bauingenieur. Schon vor seiner aktuellen Anstellung hatte er mit Straßenbau und auch der Instandhaltung von Denkmälern zu tun. “Ich habe mich schon für Kunst interessiert, kannte mich aber kaum aus”, sagt er. “Aber einen Picasso oder einen Miró konnte ich schon erkennen.” Mittlerweile, nach bald fünf Jahren in dem Job, hat er einiges an Wissen hinzugewonnen.

Welchen Wert hat sie also für ihn persönlich, die Kunst im öffentlichen Raum? “Ich finde sie schon gut”, antwortet Kluge. “Auch, wenn einige Denkmäler Menschen gewidmet ist, die heute kaum noch jemand kennt, ist es wichtig, dass sie hier stehen, für die Erinnerung. Sie gehören zu der deutschen Geschichte.”

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